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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Brot.
    Während Rachel heißhungrig über das Essen herfiel, zögerte Lea einen Moment. Sie wagte die Wirtin jedoch nicht zu fragen, ob in dem Essen Schweinefleisch wäre. So stocherte sie in ihrem Teller herum und versuchte, nur das Gemüse zu essen. Als sich ein winziger Brocken Fleisch zwischen ihre Zähne verirrte, schmeckte es jedoch wie Zicklein, und Lea nahm sich ganz fest vor, zu glauben, es sei tatsächlich nur Ziegenfleisch in ihrem Essen. Inzwischen war auch die Brühe fertig, die sie für Elieser erbeten hatten, und Rachel, deren Gesicht wieder Farbe bekommen hatte, fütterte ihn widerspruchslos.
    Während Lea noch aß, unterhielten sich nicht weit von ihnen mehrere Männer über das Pogrom in Sarningen. Einige äußerten lautstark die Ansicht, dass die Juden noch viel zu billig davon gekommen wären, und der Rest nickte beifällig. Der größte Schreier unter ihnen, ein Mann in der unauffälligen Tracht eines reisenden Kaufmanns, drehte sich zu Lea um und sah sie herausfordernd an. »Bist du nicht auch der Meinung, dass dieses Judenpack ein Schandfleck im Reich ist?«
    Lea blickte scheinbar verwundert von ihrem Teller auf. »Tja …, ich weiß nicht so recht, denn ich kenne keine Juden. Warum sind sie ein Schandfleck?«
    Der Mann lachte über so viel Unwissenheit. »Die Juden haben Christus, den Erlöser, ans Kreuz geschlagen.«
    Lea zog die Schultern hoch und fragte sich verzweifelt, wie sie sich verhalten sollte. »Ja, ja, das lernt doch jedes kleine Kind.
    Aber das ist schon fast anderthalbtausend Jahre her und geschah in Judäa. Was haben die Juden im Reich denn damit zu tun?«
    Der Kaufmann bedachte Lea mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. »Du hast wohl während der Predigten deines Priesters mit offenen Augen geträumt, mein Junge. Die Kreuzigung des Heilands ist ein Verbrechen, das erst am Jüngsten Tag beim himmlischen Gericht gesühnt werden kann. Bis dahin sind die Juden verflucht unter den Völkern der Erde, und überdies sind sie verstockt und leugnen die Wahrheit und Weisheit der heiligen Kirche.«
    »Wenn das nur alles wäre!«, setzte ein anderer hinzu. »Sie vollführen auch heimliche Zauber, um ehrliche Christenmenschen ins Verderben zu stürzen. In Sarningen haben sie zum Beispiel die Hostien, die für den Sonntag vorbereitet waren, aus der St. Kajetanskirche gestohlen und in einem schändlichen Ritual mit einem verhexten Messer durchstoßen und in Schweineblut getaucht. Die Juden bilden sich nämlich ein, der Erlöser wäre einer aus ihrem Volk gewesen, und da die Hostie ja der geweihte Leib Jesu ist, wollten sie ihm das Schimpflichste antun, was einem Juden zustoßen kann: Sie wollten ihn in Schweineblut ersäufen.«
    Lea schüttelte es vor so viel Aberglauben und Dummheit, und Rachel öffnete schon den Mund zu einer heftigen Gegenrede.
    Lea erschrak und kniff ihre Schwester heftig in den Oberschenkel, um zu verhindern, dass sie sie verriet. Rachel sprach zwar neben Jiddisch auch recht gut Deutsch, doch ihr Akzent war unüberhörbar. Lea hingegen beherrschte den in dieser Gegend gebräuchlichen Dialekt so geläufig, als wäre sie damit aufgewachsen. Das hatte sie Gretchens Eltern zu verdanken, die die Abneigung der meisten anderen Christen gegen Juden nicht geteilt und Lea öfters eingeladen hatten, ihre Freundin zu besuchen.
    Dort hatte sie gelernt, wie ein Christ zu sprechen, und als sie jetzt auf die Tiraden des Kaufmanns antwortete, achtete sie besonders sorgfältig darauf, kein falsches Wort zu verwenden.
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Du bist ja auch noch jung und wirst in deinem Leben noch viel lernen.« Der Kaufmann lächelte zufrieden und erklärte ihr lang und breit, wie man seiner Meinung nach mit den Juden verfahren sollte. Seinen blutrünstigen Vortrag beendete er mit ein paar unflätigen Flüchen auf sämtliche Juden der Welt. Als er sie auffordernd anblickte, als erwarte er ein großes Lob für seine Widerwärtigkeiten, versank Lea in einem grauen Meer von Angst. Was würde passieren, wenn sie jetzt das Falsche sagte?
    Sie nahm sich zusammen und rang ihren widerstrebenden Lippen ein Lächeln ab. »Man sollte sie alle erschlagen.«
    Das klang so giftig, dass Lea vor sich selbst erschrak. Der Kaufmann klopfte ihr zufrieden auf die Schulter und nannte sie einen guten Jungen. Lea war froh, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte, denn sie hatte nicht die Juden damit gemeint, sondern den abergläubischen Mob, der die Häuser unschuldiger Menschen stürmte, und ganz

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