Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
ganze Zeit keine Luft geholt.
    »Gott, der Gerechte! Das waren dieselben Kerle, die uns bei unserer Ankunft in Sarningen gezwungen haben, aus dem Wagen zu steigen. Ich hatte schon Angst, sie würden uns wiedererkennen.«
    »Unsinn! Wie die meisten Leute sehen auch sie nicht weiter als bis zu ihrer Nasenspitze. Bei unserer Ankunft haben die Männer nur auf unsere jüdische Tracht und nicht auf unsere Gesichter geachtet, und jetzt waren wir für sie drei unbekannte christliche Geschwister. Aber wenn du dich weiterhin so anstellst, als hättest du etwas zu verbergen, werden die Leute misstrauisch.«
    Rachel verzog das Gesicht und sagte etwas, das abfällig klang, aber da Lea es nicht verstand, begnügte sie sich damit, ihrer Schwester einen warnenden Blick zuzuwerfen. Vorhin am Tor hatte die Angst auch ihr beinahe das klare Denken geraubt, doch nun war sie guten Mutes, denn sie hatten die erste und vielleicht schwerste Etappe ihres Weges nach Hartenburg hinter sich gebracht. Wenn Rachel sich zusammenriss und sie nicht in Gefahr brachte, konnten sie in vier, fünf Tagen zu Hause sein.
    Da Elieser sich unruhig herumwarf und vor Schmerzen wimmerte, schritt Lea kräftig aus, damit er so bald wie möglich in ärztliche Behandlung kam. Rachel, die nicht gewohnt war, barfuß zu laufen, jammerte vor sich hin, denn es fiel ihr schwer, mit ihrer Schwester Schritt zu halten. Sie wagte es aber nicht, sich zu beschweren, denn sie hatte schmerzhaft feststellen müssen, dass Lea nicht mehr so langmütig war wie früher.

5.
    Die Straße war in einem so schlechten Zustand, dass Lea Rachel schließlich mit Drohungen zwang, ihr zu helfen, den Karren um die schlimmsten Schlaglöcher herumzulenken.
    Später mussten sie beide sich über lange Strecken mit dem ganzen Gewicht gegen das Holz stemmen, um das Gefährt die Hänge hinaufzuschieben und zu verhindern, dass es ihnen bergab davonrollte oder umkippte. Eine Weile folgte der Weg dem Lauf der Sarn, dann bog er in eine Hügelkette ab, die dichter Wald bedeckte. Nach der schweißtreibenden Hitze der offenen Uferlandschaft: erwies sich das kühle Dämmerlicht unter den Baumkronen zunächst als recht angenehm, bald aber wurden die Schatten und die Stille den beiden Mädchen unheimlich. Sie sahen sich immer wieder ängstlich um, doch die Bewegungen, die sie wahrzunehmen glaubten, stammten von Zweigen oder lang herabhängenden Moosbärten, die im Wind schaukelten.
    Lea und Rachel waren nicht die einzigen Reisenden auf der Straße. Hin und wieder vernahmen sie das Knirschen großer, eisenbereifter Wägen und das Knallen der Peitschen, und kurze Zeit später forderten Fuhrleute sie mit barschen Stimmen auf, den Weg freizugeben, und einige Male sahen sie sich den neugierigen Blicken einzelner Wanderer oder kleiner Gruppen ausgesetzt. Zu ihrer Erleichterung kümmerte sich jedoch kaum jemand um einen jungen Burschen, der mit seiner Schwester und einem alten Handkarren seiner Wege zog, und allzu Neugierige wehrte Lea mit einem Hinweis auf »Meinrads« ansteckende Krankheit ab. Diese Auskunft trug ihnen jedoch noch eine Menge Ärger ein, denn als sie am Nachmittag völlig entkräftet eine Herberge erreichten und um ein Nachtlager baten, wies der Wirt sie heftig schimpfend ab.
    »Macht, dass ihr weiterkommt! Oder glaubt ihr, ich will die Seuche im Haus haben?«
    Lea blickte den Mann flehend an. »Wir sind so matt, dass wir kaum noch einen Schritt vor den anderen setzen können. Bitte gebt uns einen Krug Wein und etwas Brot, oder lasst uns wenigstens den Wasserschlauch am Brunnen auffüllen.«
    »Nichts da! Ich hole mir nicht wegen ein paar Heller die Pest an den Hals. Verschwindet, sonst mache ich euch Beine!« Der Wirt rief nach einem Knecht, der mit einer Forke in der Hand auf Lea zukam, als wollte er sie aufspießen.
    Sie hob erschrocken den Karren an und schob ihn weiter, so schnell sie konnte. Als sie die Scheune, die sich an die Herberge anschloss, schon fast hinter sich gelassen hatten, öffnete sich eine Luke in der Wand, und eine junge Magd sprang ins Freie. Sie hielt einen Weinschlauch, einen verbrannt aussehenden Leib Brot und eine Wurst in der Hand.
    »Für einen halben Groschen könnt ihr das hier haben.«
    Lea stellte den Karren ab, kramte die verlangte Summe aus dem Beutel und hielt sie der Frau hin. Die Magd schien Übung in solchen Geschäften zu haben, denn sie brachte es fertig, gleichzeitig das Geld an sich zu nehmen und Lea die Lebensmittel in die Arme zu drücken. Dann flüsterte

Weitere Kostenlose Bücher