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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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rau und unfreundlich, dass Lea zusammenzuckte, aber ihr Vater lächelte, als wäre er herzlich willkommen geheißen worden. »Ihr kennt mich doch. Ich bin Jakob, der Jude aus Hartenburg. Ich war schon oft in Eurer Stadt.«
    »Ach so, du bist es.« Die Stimme des Torwächters klang um keinen Deut freundlicher. Er trat einen Schritt zurück und klopfte mit dem Stiel seiner Hellebarde gegen den Wagenkasten. »Herauskommen! Kein Jude fährt vierspännig in Sarningen ein, als wäre er ein großer Herr.«
    Elieser warf den Kopf hoch. »Wir haben doch nur zwei Gäule vorgespannt, und was für elende!«
    »Ein Jude fährt auch nicht zweispännig ein. Also, raus aus dem Wagen, sonst helfe ich nach.«
    Der Soldat hob drohend die Hellebarde, aber Jakob Goldstaub hatte bereits den Schlag geöffnet und kletterte hinaus, seine Kinder folgten ihm. Er war auf seinen Reisen schon oft das Opfer von Schikanen geworden und wusste, dass es besser war, die Leute nicht zu reizen, wollte man sich nicht ein paar derbe Hiebe oder Schlimmeres einhandeln. Ein Jude galt nun einmal weniger als ein Hund, das hatte er schon oft erfahren müssen.
    Es gab kein Land auf der Welt, in dem das Volk Israels frei nach seinen Sitten und Gebräuchen leben konnte, nicht hier im Heiligen Römischen Reich und noch weniger in Frankreich, wo die Christen erst vor kurzem die Talmudschriften vieler Gemeinden verbrannt hatten und die dagegen protestierenden Juden gleich mit dazu. Selbst in den Ländern des Islam, der ebenso wie das Christentum die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob als große Propheten pries und viele seiner Weisheiten aus der Thora bezogen hatte, wurden Juden nur geduldet und galten oft genug als Ärgernis.
    Jakob Goldstaub verdrängte die düsteren Gedanken schnell, denn Bitterkeit verwirrte nur die Sinne. Die Torwächter sahen so aus, als lauerten sie auf einen Grund, ihn samt seinen Kindern niederzuschlagen, doch er lächelte den Männern nach alter Gewohnheit so freundlich zu, als hätten sie ihn wie einen hochgestellten Gast begrüßt, holte einige Kreuzer aus seiner Tasche und drückte sie ihnen mit einer Verbeugung in die Hände. »Nach dem langen Dienst am Tor werdet ihr gewiss Durst haben.«
    Die Torwächter grinsten, und einer klopfte Goldstaub sogar auf die Schulter. »Das kannst du laut sagen, Jude. Wir werden heute Abend einen Krug auf deine Gesundheit trinken!«
    Sein Kamerad hielt sich den Bauch vor Lachen. »Auf seine Gesundheit, das ist gut! Ja, wirklich!«
    Dann aber setzte er wieder eine grimmige Miene auf und hob drohend die Hellebarde. »Los, macht, dass ihr in die Stadt kommt! Ihr versperrt anständigen Christenmenschen den Weg.«
    Gerschom beugte sich vom Bock. »Und was wird mit dem Wagen?«
    »Du kannst vorausfahren.« Der Torwächter gab dem linken Pferd einen rüden Schlag auf die Kruppe, so dass Gerschom Mühe hatte, das wiehernde Tier unter Kontrolle zu bringen.
    Dann trieb er beide Pferde mit einem Zungenschnalzen an und ließ den Wagen durch das Tor rollen.
    Goldstaub verneigte sich noch einmal so tief, als hätte er statt einfacher Stadtbüttel hohe Herren vor sich, und folgte mit seinen Kindern gemächlich dem Wagen. Der spitze, gelbe, durch vielen Gebrauch schon bräunlich verfärbte Hut, den er als erwachsener Mann mosaischen Glaubens tragen musste, schien ihn zur Erde zu drücken, während sich der handtellergroße, gelbe Ring, den auch seine Kinder auf der Kleidung tragen mussten, grell von dem billigen, braunen Stoff des Mantels abhob.
    Erst als die kleine Gruppe das Tor passiert hatte, wandte sich Jakob Goldstaub besorgt zu seinen Kindern um. Samuels Gesicht war vor Zorn gerötet, und seine Augen blitzten kriegerisch. Ihm fiel es immer noch schwer, die ständigen Kränkungen gleichmütig hinzunehmen. Leas Augen funkelten genauso wild wie die ihres Bruders, und ihr trotzig vorgeschobenes Kinn zeigte, wie es in ihr tobte. Elieser und Rachel aber hielten die Köpfe gesenkt und drängten sich wie verängstigte Schafe an ihre älteren Geschwister.
    Goldstaub drehte sich um und schüttelte ratlos den Kopf, denn er hatte nie begreifen können, dass seine Nachkommen so unterschiedlich geraten waren. In Samuel glühte der Mut eines Judas Makkabäus, den er, wenn er als Jude überleben wollte, bald würde bezähmen müssen, und zu ihrem Unglück glich Lea ihrem älteren Bruder in Aussehen und Charakter. Beide hatten ein schmales, energisches Gesicht mit einer leicht gebogenen Nase, die für ein Mädchen jedoch etwas zu

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