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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sich Komplikationen zusammen, die Lea nicht vorausgesehen hatte und die seine Rolle als Bote überforderten. Wie hatte sein Gastgeber seine Herrin beschrieben? Fleißig und energisch? Fleiß wurde bei einem Mädchen ja gerne gesehen, aber welcher Schwiegervater wünschte sich eine besonders energische Braut für seinen Sohn?
    Eine solche Frau hielt allzu leicht das Heft in der Hand, degradierte ihren Ehemann zu ihrem Handlanger und bevormundete meist auch noch die Schwiegereltern.
    Jochanans Blick kehrte zu Jiftach zurück, der jetzt nicht einmal mehr so tat, als würde er lesen. Er hatte die Worte seines Vaters gehört und grinste dümmlich. Sein rötliches Gesicht war leicht aufgedunsen, und seine hervorquellenden Augen und die kräftigen, aber weit vorstehenden Zähne ließen ihn wie einen Tölpel erscheinen. Jochanan begann zu vermuten, dass der Junge geistig zurückgeblieben war und das Buch auf seinem Schoß gar nicht lesen konnte, und schüttelte sich innerlich. So einen Schwachkopf sollte Lea zum Mann nehmen? Natürlich fühlte auch er sich unbehaglich bei dem Gedanken, dass Jakob ben Jehudas älteste Tochter sich wie ein Mann benahm. Die Ehe würde Lea gut tun und ihr auch jene Sicherheit bieten, nach der sie so verzweifelt suchte. Aber Jiftach ben Ruben sah nicht so aus, als wäre er imstande, für sich selbst zu sorgen, geschweige denn für Frau und Kinder.
    Hannah schien geistig nicht so beschränkt zu sein wie ihr Bruder, aber verglichen mit ihr war Merab eine Schönheit, ganz zu schweigen von Rachel, die den Vergleich mit einer der Heldinnen alter Zeit nicht zu scheuen brauchte. Auf Jochanan wirkte Rubens Tochter mit ihrer bleichen Haut, dem länglichen Gesicht und den großen, etwas wässrigen Augen wie ein Schaf, und er konnte sich vorstellen, dass Jakob ben Jehuda seine ganze väterliche Autorität hätte aufwenden müssen, um Samuel zu einer Heirat mit diesem Mädchen zu bewegen. Aber wenn Hannahs Vater hartnäckig genug blieb und Elieser seine Verletzungen überlebte, würde der Junge froh sein, Hannah heiraten zu können, denn für einen verkrüppelten Mann waren Bräute mit reicher Mitgift sehr dünn gesät.
    Ruben ben Makkabi schien Jochanan Zweifel zu bemerken, denn er pries die Vorteile, die Jakobs Kinder aus dieser doppelten Verbindung ziehen würden, und deutete an, dass er bereit sei, Jochanan die Erlaubnis zur Heirat und für die Ansiedlung seiner Braut zu bezahlen und ihm darüber hinaus noch eine hübsche Summe zu schenken, wenn er den jungen Samuel in seinem Sinne beeinflusste. Der junge Knecht versprach seinem Gastgeber alles, was dieser zu hören wünschte, aber er brachte nicht den Überschwang auf, den der Rabbi für sein Versprechen erwartet hatte. Daher führte Ruben ben Makkabi Jochanan in seine persönliche Studierstube, die von einem kunstvoll geschnitzten Thoraschrein beherrscht wurde. Der Vorhang vor dem Schrein war schöner und kostbarer als alles, was der junge Knecht je in seinem Leben erblickt hatte. Er zeigte einen aus Goldfäden gestickten Löwen von Juda, der seine linke Pranke auf einen silbernen Davidsstern stützte. Während Jochanan das Bild mit offenem Mund anstarrte, räumte Ruben mehrere Bücher beiseite, zog einen kleinen, mit Intarsienarbeiten geschmückten Tisch zu der gepolsterten Ruhebank, auf der er seinen Gast Platz nehmen ließ, und füllte zwei Pokale mit Wein.
    »Lass uns in aller Ruhe miteinander reden, Jochanan. In einem hat Esra ben Nachum nämlich Recht: Dein Herr hat zu wenig Erfahrung, um die Geschäfte seines Vaters weiterführen zu können, und benötigt dringend eine leitende Hand. Doch sein Onkel ist nicht die geeignete Person dafür. So Leid es mir tut, aber ich muss euch vor Esra ben Nachum warnen. Ich fürchte, er würde Samuel betrügen und einen großen Teil der Gewinne in seine eigenen Taschen fließen lassen. Ben Nachum hat auch mich hintergehen wollen, denn er hat geschworen, er habe die Leichen seines Schwagers und dessen Kinder mit eigenen Augen gesehen, und mich aufgefordert, ihm Jakob ben Jehudas Anteile an meinem Geschäft auszuzahlen wie auch die Summe, die Samuels Vater für den Notfall bei mir hinterlegt hatte, weil er nun Jakobs rechtmäßiger Erbe sei.«
    Im ersten Moment schüttelte Jochanan ungläubig den Kopf. Wollte Ruben ben Makkabi Leas Onkel anschwärzen, um seine eigenen Pläne ungestörter verfolgen zu können? Dann erinnerte er sich daran, dass Jakob ben Jehudas Ehefrau Ruth kein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder

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