Die Goldhaendlerin
Vater auch.« Erst im letzten Moment hatte er sich daran erinnert, dass Lea ihm eingeschärft hatte, Samuels Tod zu verschweigen, weil sie den Brief an Ruben ben Makkabi mit dem Namen ihres Bruders unterzeichnet hatte.
Der Hausherr legte die zittrigen Hände auf Jochanans Schulter.
»Was ist mit den Kindern meines Freundes? Man hat mir berichtet, sie seien alle umgekommen.«
»Sie konnten dem Pogrom entkommen. Elieser wurde schwer verletzt und wird vielleicht ein Krüppel bleiben. Lea und Rachel wurden von einer Christenfreundin gerettet und Samuel ist auch irgendwie entkommen …« Das Letzte zu sagen fiel Jochanan schwer, weil sein Gewissen sich sträubte, einen Rabbiner zu belügen.
Ruben ben Makkabi achtete nicht auf seine Verlegenheit, sondern warf erleichtert die Arme zum Himmel. »Jakob ben Jehudas Schwager Esra ben Nachum und die Seinen konnten fliehen und haben bei uns Schutz gefunden, dem Gott unserer Väter sei Dank. Aber er brachte uns die traurige Nachricht, Jakob ben Jehudas gesamte Familie sei dem Pogrom zum Opfer gefallen.«
»Es freut mich zu hören, dass der Onkel meines jetzigen Herrn den Christen entkommen konnte«, antwortete Jochanan diplomatisch. Der Hinweis auf das jetzige Familienoberhaupt stellte keine Lüge dar, denn Elieser war ja ebenfalls Esra ben Nachums Neffe.
Ruben ben Makkabi seufzte kaum hörbar. »Er und die Seinen weilen vorerst noch bei mir zu Gast, bis wir eine neue Heimat für sie gefunden haben. Komm, ich bringe dich zu ihm. Er wird sich über die überraschende Neuigkeit gewiss ebenso freuen wie ich.«
Jochanan sah verwundert auf, denn die Worte des Hausherrn hatten ein wenig spöttisch geklungen. Doch er wagte nicht, nachzufragen, sondern folgte Ruben ben Makkabi stumm und mit leicht gesenktem Kopf, wie es sich für einen Knecht gehörte. Bei Jochanans Anblick riss Esra ben Nachum vor Erstaunen die Augen weit auf, und als er von seinem Gastgeber erfuhr, dass der junge Mann von Samuel ben Jakob geschickt worden war, wirkte er verwirrt und auch etwas peinlich berührt.
»Ich … ich war fest davon überzeugt, die gesamte Familie meines armen Schwagers Jakob sei umgekommen, nachdem Samuel sich den eindringenden Christen entgegengestellt hatte, statt uns zu folgen, wie ich es meinem Schwager zugerufen hatte. Als wir armen Vertriebenen uns außerhalb der Stadt gesammelt haben, um gemeinsam weiterzuziehen, weilte von Jakobs Familie niemand mehr unter uns, und am nächsten Tag sahen wir die Leichen einiger schrecklich entstellter Mitbrüder an uns vorübertreiben, darunter auch den Körper meines armen Schwagers. Leider konnten wir sie nicht bergen und sie begraben, wie es das Gesetz befiehlt.«
Ruben ben Makkabi zog erstaunt die rechte Augenbraue hoch. Anscheinend hatte sein Gast ihm die Geschichte vorher ein wenig anders erzählt. Aber er sagte nichts, sondern ließ ihn mit einem sanften Lächeln gewähren. Esra ben Nachum hatte die leicht zweifelnde Miene seines Gastgebers wahrgenommen und bemerkte hastig, seine Frau und seine Tochter würden die guten Neuigkeiten sicher gern selbst aus Jochanans Mund vernehmen. Ohne auf Antwort zu warten, öffnete er die Tür zum Küchentrakt und rief nach ihnen. Die Frauen schienen hinter der Tür gewartet zu haben, denn sie traten einen Herzschlag später ins Zimmer. Während Noomi sich über Jochanans Nachricht von ganzem Herzen freute, wirkte Mirjams Miene eher säuerlich, und sie rang sich widerwillig ein paar Glückwünsche ab. Auch Esras Gesicht wirkte wie eingefroren. Mit einem Mal aber ging ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht, und er legte Jochanan freundschaftlich den rechten Arm um die Schultern.
»Jetzt ist also Samuel dein Herr. Ein trefflicher junger Mann fürwahr, aber in Geschäftsdingen doch noch recht unerfahren. Er wird einen treuen Freund brauchen, der ihm zur Seite steht, und wer könnte besser dafür geeignet sein als ich, der Bruder seiner Mutter? Das musst du doch auch sagen, nicht wahr?«
Ohne Jochanans Antwort abzuwarten, malte Esra ihm aus, was für wundervolle Zeiten in Hartenburg anbrechen würden, wenn er die Geschicke der Familie lenkte. Ruben ben Makkabi hörte ihm mit einem seltsamen Lächeln zu, doch das einzige Wort, das man von ihm vernahm, war die Bitte an seinen Diener, Erfrischungen für die Gäste zu bringen.
5.
Jochanan löste die Gebetsriemen von seinem Arm und legte den Gebetmantel ab, den sein Gastgeber ihm geliehen hatte. Während er ihn sorgfältig glättete und
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