Die Goldhaendlerin
zuerst den Erben kennen lernen und sich ein eigenes Bild von ihm machen wollen, bevor er die gesamte Summe aus der Hand gab, denn als Treuhänder musste er sich gegen Betrüger schützen. Es war für Ruben ben Makkabi sicher angenehmer, dem Sohn eines Freundes sagen zu können: dann und dann kam ein Mann, der sich als dein Diener ausgab und dein bei mir hinterlegtes Geld von mir forderte. Ich gab ihm jedoch nur den vierten Teil, so dass dir drei Viertel verblieben sind. So vernünftig diese Sitte auch sein mochte, sie würde Lea und der ganzen Familie nun zum Verhängnis werden. Selbst wenn der Markgraf sich auf die verzögerte Zahlung einließ, konnte das Mädchen unmöglich selbst nach Augsburg reisen, um den Rest der Schuld einzufordern.
Jochanan blieb jedoch nichts anderes übrig, als sich Ruben ben Makkabis Willen zu beugen. Nach einer unruhigen Nacht, in der er alle Schrecken durchlebt hatte, die auf Jakob ben Jehudas Kinder und ihr Gesinde zukommen mochten, war er beinahe so weit, auf Esras Vorschlag einzugehen und ihn nach Hartenburg mitzunehmen. Die Angst vor Leas Zorn und vor der Reaktion des Markgrafen aber gab ihm die Kraft, sich gegen das immer energischer werdende Drängen des Mannes zu sperren.
»Ihr dürft im Augenblick nicht mitkommen, auch nicht als Gast. Der Markgraf hatte Jakob ben Jehuda strengstens verboten, weitere Juden in seine Stadt zu bringen. Erst wenn Samuel seine Schutzbriefe gekauft und einige Zeit zur Zufriedenheit des Markgrafen gearbeitet hat, kann er es wagen, die Bitte zu äußern, seine engsten Verwandten bei sich aufnehmen zu dürfen.«
Esra ben Nachum zog ein säuerliches Gesicht. »Ausgerechnet jetzt hätte Samuel meine Hilfe so nötig. Glaubst du nicht, dass der Markgraf in meinem Fall eine Ausnahme macht? Es wäre ja auch sein Gewinn, wenn die Geschäfte des jungen ben Jehuda von einem erfahrenen Mann geführt werden. Versteh doch, wie schwer es mir fällt, noch monatelang hier als Gast weilen und von milden Gaben leben zu müssen, während meine Verwandten wie einst Josef in Ägypten in einem Land wohnen, in dem Milch und Honig fließen.«
»Milch und Honig fließen nur im gelobten Land.« Ruben ben Makkabi war unbemerkt zu ihnen getreten und wies Esra scharf zurecht.
Leas Onkel starrte auf seine Pantoffel hinab, als wären sie an seinem Verhängnis schuld, hob dann aber den Kopf und blickte Jochanan flehend an. »Gib du mir wenigstens ein paar Gulden von dem Geld, das Ruben ben Makkabi dir ausgezahlt hat, damit ich einen kleinen Handel beginnen kann.«
Jochanan warf abwehrend die Hände hoch. »Das steht nicht in meiner Macht. Ich habe nur einen Teil dessen erhalten, was Samuel dringend benötigt, und ich darf diese Summe gewiss nicht angreifen.«
Esras Frau stach wie ein Geier auf Jochanan zu und blieb so dicht vor ihm stehen, dass ihr Atem warm über sein Gesicht strich. »Wenn du uns kein Geld geben kannst, dann richte Samuel aus, er soll uns die restlichen Schuldverschreibungen des Sarninger Vogts abkaufen. Aus der Sicherheit der Hartenburger Herrschaft heraus wird es ihm bestimmt gelingen, Alban von Rittlage das Geld aus den Zähnen ziehen. Wir als arme Flüchtlinge sind hingegen machtlos.«
Jochanan nahm nicht an, dass diese Schuldbriefe noch einen einzigen Heller wert waren, versicherte Esra und seiner Frau aber, seinem Herrn ihre Bitte ans Herz zu legen. Dann verabschiedete er sich höflich von seinem Gastgeber und den Verwandten seiner Herrschaft und verließ erleichtert das Haus. Sosehr es ihm auch behagt hatte, zwei Tage in der jüdischen Gemeinde von Augsburg zu verbringen, so wenig fühlte er sich den Forderungen gewachsen, mit denen man auf ihn eingedrungen war.
6.
Auch Leas zweiter Bote erreichte unbehelligt sein Ziel. Saul hatte sich jedoch Zeit gelassen und traf erst am achtzehnten Tag seiner Reise in Worms ein, der wichtigsten jüdischen Gemeinde des Reiches. Unterwegs hatte er immer wieder über die Lage nachgedacht, in der sich die Familie seiner Herrschaft befand. Auch wenn er nur ein armer Knecht war, der außer Unterkunft, freier Verpflegung und Kleidung lumpige zwei Gulden Jahreslohn erhielt, so ging es auch um sein Schicksal, und deswegen hätte er liebend gern gewusst, was in Leas Brief stand. Sie hatte ihm gesagt, er sollte bei Zofar ben Naftali Geld abholen, das der Familie zustand, ihm aber nicht die Höhe der Summe genannt.
Jemand, der Geld besaß, galt im Heiligen Römischen Reich als angesehener Mann, selbst wenn er Jude war,
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