Die Goldhaendlerin
höher sein können, doch lag dies an den äußeren Umständen und nicht an einem betrügerischen Gewährsmann. Lea selbst zahlte Ruben mit Anteilsscheinen, die sie ihm ausstellte, für einen Handel aus, der unter ihrer Federführung abgelaufen war, und überreichte auch einigen anderen Kaufleuten von ihr gezeichnete Papiere, die diese bei jüdischen Bankiers wie Zofar ben Naftali einlösen oder direkt in neue Geschäfte stecken konnten.
Sie selbst erhielt das Recht auf die Lavendelernte eines provenzalischen Grafen, die ihr einer ihrer Geschäftsfreunde anstelle gemünzten Goldes oder einer Bankanweisung übergab. Alles in allem hätte sie mit dem Verlauf der Verhandlungen zufrieden sein können. Doch das an Roland Fischkopf verlorene Gold schmerzte sie. Es war weniger der materielle Verlust, der sie ärgerte, sondern die Art, wie er sich in seinen Besitz gesetzt hatte. Sie war ihm ja dankbar, dass er Jochanan und ihr das Leben gerettet hatte, und hätte sich gern dafür erkenntlich gezeigt. Doch er hatte wie ein Dieb gehandelt und nicht wie ein ehrlicher Kaufmann, so dass sie jetzt mit leeren Händen dastand und keine Forderung gegen ihn geltend machen konnte. Als David ben Mordechai neben ihr durchdringend hüstelte, bemerkte Lea, dass sie im Gespräch mit ihrem nächsten Geschäftspartner unaufmerksam geworden war. Sofort verbannte sie Fischkopf aus ihren Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Verhandlungen.
In den nächsten Stunden wechselten Waren und Güter im Wert von etlichen tausend Gulden die Besitzer. Orlando beteiligte sich nur an einigen wenigen Geschäften, hörte aber höchst interessiert den Verhandlungen der anderen zu und lächelte das eine oder andere Mal amüsiert.
Die meisten der hier versammelten Patriarchen der jüdischen Gemeinde schlossen ihre Geschäfte mit viel Witz und Temperament ab, Simeon ben Asser versuchte jedoch seine Partner mit wortreichen Klagen über andere schlechte Geschäfte mitleidig zu stimmen, und Kaleb ben Manoach schacherte um jeden Groschen, als würde man ihm das Brot vom Mund rauben. Ruben ben Makkabi blieb hingegen so ruhig und gelassen, als ginge es um ein paar Äpfel auf dem Markt, war aber bei seinen Abschlüssen sehr vorsichtig, während Lea selbst bei riskanteren Geschäften einem Eisblock glich. Orlando wusste nicht mehr, was er von ihr halten sollte. Selbst unter Christen hatte er niemanden kennen gelernt, der so kaltblütig und nervenstark mit Summen umging, deren Verlust für die meisten Anwesenden den Ruin bedeuten würde.
Ruben ben Makkabi bemerkte Orlandos Verblüffung und klopfte Lea anerkennend auf die Schulter. »Unser Freund Samuel ist trotz seiner Jugend ein Handelsmann, wie man ihn nur selten findet. Er riecht förmlich, ob ein Geschäft Ertrag abwirft oder nicht. Ich habe ihn vor einiger Zeit zu einem scheinbar todsicheren Geschäft überreden wollen, doch er sagte nein. Ob du es glaubst oder nicht, der Handel platzte und brachte mir einen Verlust von fast achthundert Gulden. Dafür verdiente ich mehr als tausend Gulden an einem Geschäft, das ich nur abschloss, um Samuel einen Gefallen zu tun.«
Lea lächelte scheinbar geschmeichelt, doch Orlando entging weder der Spott, der in ihren Mundwinkeln zuckte, noch der leichte Ärger in Ruben ben Makkabis Worten. So konnte er sich zusammenreimen, dass sein Gastgeber sich nur an jenem Handel beteiligt hatte, um den erwarteten Verlust als Druckmittel gegen Samuel ben Jakob zu benutzen und die geplanten Ehen vorantreiben zu können. Jetzt schien ihr Gastgeber nicht zu wissen, ob er sich mehr über das gewonnene Geld freuen oder beklagen sollte, dass der ersehnte Schwiegersohn ein weiteres Mal seinem Zugriff entschlüpft war.
Kaleb ben Manoach begann zu lachen. Es klang wie das Krähen eines Hahns. »Bei einem Handel wird der gute Samuel herbe Verluste erleiden! Er hat doch tatsächlich seinem Oheim Esra ben Nachum alle Schuldverschreibungen des kaiserlichen Vogts Alban von Rittlage abgekauft. Aber aus dem wird kein Jude einen Groschen herausholen, es sei, er schafft es, bis zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches vorzudringen und dessen Hilfe zu erlangen.«
Während andere sich abwandten, um unauffällig mitleidige Blicke auszutauschen, zeigte Simeon ben Asser offen sein Unverständnis über ein solch schlechtes Geschäft. »Tja, mein Junge, diese Forderungen sind das Pergament nicht wert, auf dem sie stehen. Wenn du tatsächlich auf Kaiser Friedrich III. zählst, kann ich dich nur warnen.
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