Die Goldmacherin Historischer Roman
Die rechten hier sind aus Wollfaden gemacht, für Leibwäsche oder auch Kragen.« Sie richtete mit der freien Hand ihre Haube. »Was feiert ihr denn?«
»Meine Verlobung«, sagte sie knapp. Aurelia hegte keinen Zweifel, dass das Gerede der Zunftweiber es ihr längst zugetragen hatte.
»Tatsächlich?« Die Quandtin sah sie von der Seite an. »Hat der Zunftmeister wirklich schon eingewilligt?«
Aurelia fiel ein Zwirnswickel aus der Hand. »Wieso zweifelst du?« Der Vermittler hatte vorgestern sogar die Zeremonie
mit Vater besprochen, auch wenn sie nicht hatte dabei sein dürfen.
»Nun, ich habe eben anderes gehört.« Die Quandtin legte ein paar Wickel zum Fächer aus.
»Von wem?«
»Kind, wer kommt wohl hier an meinen Stand kaufen?«
Aurelia sagte lieber nichts mehr. Vater hatte es ihr eingeschärft. Je weniger die Leute wussten, desto weniger redete man darüber, wie wohl ein hergelaufener Alchemist seine Tochter in eine der mächtigsten Zünfte von Mainz verheiraten konnte.
»Nun, mich geht es nichts an. Du wirst schon wissen, warum du sticken lässt.« Die Quandtin verzog spöttisch die Lippen. »Vielleicht noch einen blauen Faden dazu? Der hier ist sehr hübsch.« Sie fischte eine Rolle aus einem Körbchen.
Das war er wirklich. »Romuald mag Blau«, rutschte es Aurelia heraus.
»Wie seine Mutter, nicht wahr?« Die Quandtin hatte zwar den Blick zur Gasse gewandt und winkte jemandem freundlich, doch die Frage kam ein bisschen zu schnell, um harmlos zu sein.Von Romualds Mutter her wehte also der Gegenwind.
Aurelia hatte sie noch nicht gesprochen. Romualds Mutter nickte ihr in der Kirche nicht einmal zu, war scheinbar immer ins Gebet versunken, und auf den Gassen war sie wie zufällig immer zu weit von Aurelia entfernt, als dass sie ein paar Worte hätten wechseln können. »Ja, ja«, sagte Aurelia schnell. »Das ist wohl wahr. – Ich nehme die dunkelroten und die hellblauen Wollfäden.«
»Ein Kreuzer und zehn Pfennige.« Die Quandtin legte schon ihre dicke geöffnete Hand auf das Brett.
Mit der Quandtin zu feilschen war nutzlos, als eine der wenigen Händlerinnen bot sie nur zum Festpreis an. Aber weil ihre Fäden selten rissen, eben dicht genug gesponnen waren,
kauften auch die besseren Leute wie Romualds Mutter bei ihr ein.Aurelia nestelte die Münzen aus dem Beutelchen an ihrem Gürtel. »Hier.«
Die Quandtin nahm das Geld und zählte nach. »Du schaust so streng. Freust du dich denn nicht?« Aurelia hörte, wie die Quandtin die Münzen unter der Auslage klirrend auf anderes Geld fallen ließ. »Der Romuald ist doch ein gut gewachsener Mann. Ich könnte dir einige Jungfern nennen, die dich beneiden, weil sie nun einen groben Metzgersohn nehmen müssen.«
Das hieß, Romualds Mutter hatte eine andere Braut für ihn ausgeguckt … Aurelia legte schnell die Rechte auf die Brust, die Frage war auch eine Falle! Das hätte sie von der Quandtin nicht erwartet. »Ob er wirklich gut gewachsen ist, weiß ich gar nicht zu sagen.«
»Gewiss nicht, mein Kind. Dass du nicht sittsam seiest, das wollte ich gar nicht behaupten.« Die Quandtin räumte die Körbchen wieder um. Ihre Stimme hatte so falsch beschwichtigend geklungen, als ob sie Aurelia kein Wort glaubte.
Hinter ihr drängten zwei Kirchenmägde an die Auslage.
»Der Faden lässt sich spalten«, sagte die Quandtin noch. »Gerhild und Martha, schickt euch die Äbtissin schon wieder, reicht der grüne Seidenfaden immer noch nicht? Wie weit sind denn die Nonnen beim Baldachin?«
Aurelia entfernte sich vom Stand, ein wenig war sie von den Anspielungen der Quandtin verwirrt. Wenn der Vermittler nicht schon wieder ins Haus gekommen wäre, hätte das Gerede der Zwirnshändlerin ihr jetzt große Angst eingeflößt.
Aurelia lief mit dem Korb weiter, sie durfte nicht zu viel Zeit am Markt vertrödeln. Allein tat ihre Magd doch nichts daheim.
In der Niederscharn standen ein paar alte Männer mit ihren Pfeifen beisammen. Oben in den Häusern hingen Tücher zum
Trocknen von den Vorbauten herab. In Mainz konnte man das eher tun als in Köln, wo sie vorher gelebt hatten. Auch wenn beide Städte am Rhein lagen, stank es in Mainz weniger. Die Nachtwächter hielten darauf, dass das Vieh seinen Dung nicht in den Gassen ablassen durfte. Wer nicht wegräumte, zahlte Strafe an den Rat.
Aurelia war hier schnell heimisch geworden. Als Vater und sie vor drei Jahren die Stadttore von Mainz durchschritten hatten, hätte sie nicht geglaubt, dass sie mehr als drei Wochen
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