Die Goldmacherin Historischer Roman
Dielen stand. »Wein oder Nusskuchen?«, presste er hervor.
Aurelia tat lieber so, als ob ihr der merkwürdige Tonfall nicht auffiele. Sie wusste nicht, welche Zeichen der Vermittler vereinbart hatte. »Nusskuchen soll ich euch …«
»Na endlich!«, fiel ihr der Zunftmeister ins Wort. Sein Mund wurde breit wie über einem Ostermahl. Da fing er Romualds erfreuten Blick auf. »Hast du nichts Besseres zu tun, Geselle, als Jungfrauen auf die Brust zu glotzen? Was ist mit dem Stadtbefehl des Bischofs?«
Romuald straffte die Schultern. »Gleich gesetzt, Meister.«
»Das heißt also: nicht fertig.« Der Meister deutete mit dem Daumen zur Werkstatt. »Wird’s bald, Faulpelz?« Er strich sich über das Kinn und sah dabei Aurelia an. »Warum lässt dein Vater dich aus der Werkstatt und schickt nicht die Magd? Silbermachen soll ein schwieriges Geschäft sein. Er hat keinen Lehrling und keinen Gesell. Braucht er da nicht jede Hand im Haus, und sei’s die feine Frauenhand?«
Romuald stellte sich schützend vor Aurelia. »Lasst sie in Frieden, Meister, ich bitt euch.«
Der Zunftmeister mit der schwarzen Lederschürze zeigte nur mit dem Kinn zur Werkstatt, so dass Romuald nichts übrig blieb, als zu gehorchen. Er ging zu seinem Pult.
Aurelia setzte ein Lächeln auf, das unbedarft wirken sollte. Vater hatte es ihr eingeschärft: Stelle dich dumm. »Ich verstehe nichts von seinem Handwerk. Fragt ihn selber. Ich habe nur den Kuchen gebacken.«
Der Zunftmeister nahm den Korb hoch und roch daran. »Wie der duftet! Hoffentlich versteht dein Vater so viel vom Silbermachen wie du vom Backen.« Ohne das Tuch zu lüften, stellte er ihn wieder ab und ging hinter Romuald her zu den Setztischen.
Der Meister musste den Kuchen doch annehmen, sonst galt der Handel mit ihrem Vater nicht.
Er stand schon bei Romuald am Setzschiff. »Der Meier des Bischofs wartet schon drüben in der Grünen Eiche. Zehnfach will er den Aushang sehen, damit er noch heute an die Tore kommt.«
Romuald griff zu den Zeileneisen. »Ist gleich gesetzt, seid ohne Sorge.«
»Sorgen tut sich unser Bischof höchstens um den Handel, weil der Adolf von Nassau mit seinen Truppen gegen die Pfalz gezogen und dem Fürsten dort in den Hinterhalt gelaufen ist. Nun ist die Verwüstung im Land groß, die Angst auf den Straßen den Rhein hinauf und hinab nicht minder.« Der Meister prüfte an Romualds Tisch die ersten Zeilen. Aurelia sah allerdings genau, wie er sie aus den Augenwinkeln belauerte, als sie zögernd mit dem Korb auf ihn zutrat. »Hier fehlt eine Majuskel. Bedenke, dass es des Bischofs Befehle sind.«
Romuald suchte den großen Buchstaben aus dem Setzkasten.
Aurelia atmete tief durch. Der Zunftmeister musste Farbe bekennen. Jetzt oder nie. Sie zog das Tuch vom Kuchen. »Wo soll ich den Nusskuchen für Euch hinstellen, Meister?« Das Zittern in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken. Alle Gesellen und die Lehrlinge schauten von ihren Tischen auf.
Der alte Mann, von dem ihr Glück abhing, stand schon am nächsten Setztisch. Er wies mit dem Daumen zur Rückwand der Setzerei. »An mein Pult. Ich nehme ein Stück davon«, sagte er rau und kam auf sie zu.
Aurelia beeilte sich, stellte neben dem Pult den Korb auf den Boden, da stieß ihn der Zunftmeister schon mit dem Stiefel tiefer darunter. »Und ihr glotzt nicht so!«, herrschte er dabei die Gesellen an.
Sie sagte lieber nichts, sondern deutete eine Verbeugung an. Hans und die anderen beachtete sie nicht. Als sie an Romuald vorbei hinausging, formte sie für ihn mit stimmlosen Lippen die Worte: Heute Abend am kleinen Brunnen, wie immer.
»Was muss ich da finden? Zwei tote Fische in einer Zeile!«, brüllte der Zunftmeister an einem Gesellentisch.
Aurelia konnte nicht mehr sehen, wem die Schelte gegolten hatte. Sie hörte nur die Ohrfeigen klatschen.
Draußen auf der Gasse unterdrückte sie einen Jauchzer und schlug sich die Hände vors Gesicht. Niemand durfte sehen, wie glücklich sie war. Der Zunftmeister hatte den Gruß des Vaters angenommen, jetzt stand ihrer Verlobung nichts mehr im Wege.
Als sie vor Freude strahlend zum blauen Himmel über dem Zunfthaus hinaufsah, bemerkte Aurelia eben noch die beiden dunklen Frauenköpfe, die vom Fensterbrett ins Innere zurückzuckten.
3
S eit einigen Tagen nun freute sich Aurelia unbeschwert auf ihre Verlobung. Sie genoss die vielen Besorgungen für das Fest, die sie häufiger als sonst in die Stadt führten. Es war überraschend sonnig geworden. Ein wenig
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