Die Goldmacherin Historischer Roman
Rieb man es dann über einen rauen Stein, schlug es Funken, fing Feuer und brannte gut.
Aurelia verschob ihren Plan, bei ihrer Freundin Rahel vorbeizuschauen. Der Umweg war zu groß, die Liste der Besorgungen zu lange.
Am Holzmarkt lohnte der Preisvergleich selten, die Händler sprachen sich eh untereinander ab. Aurelia blieb einfach am ersten Stand stehen. Ein Knabe mit schmutzigen Hosen saß auf einem Stapel Spaltholz und bohrte in der langen Nase.
»Gib mir zwei Fuder Anmachholz, aber vom trockenen, hörst du?«
»Mit Tragriemen oder ohne?« Er sprang vom Stapel, ein Spaltstück kullerte vor die aufgeschichteten Brennhölzer.
»Mit.« Der Junge war so wenig gesprächig wie alle aus den Bergen. »Macht vierzehn Pfennig.« Er prüfte jeden Pfennig einzeln, den sie ihm in die schrundige Knabenhand drückte. Warum waren Wäldler nur immer so misstrauisch?
»Mainzer Geld ist gut. Oder hast du schon mal einen faulen Pfennig bekommen?«, fragte sie.
»Schon vier.« Er blinzelte sie an. Ein Vorderzahn fehlte ihm. »Die sammele ich.«
Aurelia musste lachen. »Das wird ja ein schöner Geldtopf.«
Der Junge hob das Spaltstück auf. »Die nimmt mir wenigstens keiner weg«, murmelte er.
Aurelia verstand die traurigen Augen nur zu gut; auch ihr hatte man als Kind oft liebgewonnenen Kram weggenommen. Sie nahm das Holz am Tragriemen und ging an den frisch riechenden Holzstapeln der Händler vorbei.
»Braucht das Fräulein Hilfe?« Die Stimme des dürren Mannes, der sich in seinen Lumpen vor der Gassenecke herumdrückte, war erstaunlich fest. »Ich trage Euch das Holz gern nach Hause.«
Aurelia war schon einen Schritt weiter, da hielt sie inne. Nicht nur die Pfarrer predigten gute Taten, auch ihr Vater mahnte sie zur Mildtätigkeit. Es steht uns gut an für unseren Leumund. Man redete schon genug Schlechtes über sie. »So komm. Zwei Pfennig für den langen Weg.« Aurelia hielt ihm das Bündel hin und übersah lieber die aufgedunsene, schorfige Hand. »Folge mir einfach.«
»Ich weiß, wo Ihr wohnt. Bei den Schmieden beim Roten Turm.«
Aurelia sah ihm forschend in das hagere Gesicht. Die Augenränder waren entzündet, doch der Blick der grauen Augen ohne Harm. »Kennst du mich?«
»Die schöne Tochter des Goldmachers kennt jeder Mann zu Mainz. Sagt, hat Euch Euer Vater die Haar so golden gemacht? Die Leute behaupten das.«
Aurelia richtete die Strähne, die unter ihrer Haube hervorgerutscht war. »Unsinn, ich bin so auf die Welt gekommen. Im Norden, am Meer, haben viele Frauen solches Haar. Das ist nichts Besonderes.«
»In Mainz schon.« Der Mann schwieg plötzlich, weil zwei Ratsherren aus einem vornehm geweißelten Haus traten. Sie machten den beiden Platz. Hinter ihnen rollte ein Vierspänner-Brauwagen vorüber.
»Ein Bier wäre gut«, sagte ihr Träger vor sich hin.
Aurelia überhörte das. Wie hätte sie mit einem Bettler in eine Braustube gehen sollen?
An Sankt Gangolf bogen sie zur Stadtmauer ab. Hier ging sie mit ihrem Vater zur Kirche. Als Stadtfremde hatten sie bei der Messe lange hinten und außen stehen müssen, zwar noch
vor dem Diebsvolk, aber hinter den Abdeckern, die selbst am Sonntag stanken wie verkommenes Fleisch. Erst seit der Schreiber des Bischofs ein gutes Wort beim Rat eingelegt und Vater die Erlaubnis zur Ansiedlung erwirkt hatte, erlaubte man ihnen, in den Reihen der Hausbesitzer zu stehen.
Aurelia blinzelte ins Sonnenlicht. Seltsam, wie das ohne ein Wort vor sich gegangen war. Niemand hatte darüber gesprochen, doch von einem Tag auf den anderen hatten die Leute Platz gemacht.
Ihr Vater legte sonntags Geld in die Bettelsäckchen der Kinder vor der Kirche und stiftete dem Heiligen zu Festtagen eine Silbermünze. Inzwischen verdiente er wieder gut. Aurelia war froh, dass Vater das Geld nicht nur mit den Rattengiften erwarb, sondern auch mit den Laugen für die Handwerker und Drucker.
In der Schmiedegasse hörte sie das Schlagen der Hämmer auf den Ambossen, in jedem Hof standen mindestens zwei. »Gib das Bündel her«, wandte sie sich an ihren Träger.
»Wir sind doch noch nicht bei Euch angelangt.« Dem Hageren tränten die entzündeten Augen.
»Geh für mich noch zum Judenbackhaus.« Aurelia fischte in ihrem Geldsäckchen nach zwei Kupfermünzen. Es war sowieso besser, wenn sie nicht zu oft selbst zu ihrer Freundin ging. So wie man gegen Aurelia als Hexenkind hetzte, verschrien viele Rahel als Christusmörderin.
»Ihr seid doch keine Jüdin. Was wollt ihr mit Brot ohne
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