Die Goldmacherin Historischer Roman
bleiben dürften. Fast ohne eine Münze waren sie mit einem Schiffer den Rhein hinaufgesegelt, weil die Kölner sie wegen eines angeblichen Betrugs verunglimpften. Vater war lieber einmal mehr weitergezogen, als Gefahr zu laufen, dass man sie in den Kerker warf.
Die vielen Stadtherrenhöfe in Mainz hatten Aurelia gleich gefallen, auch dass es innerhalb der Stadtmauern noch Wiesen und Gärten gab. Im schwülen Sommer wehte immer ein leichtes Lüftchen um die Dächer. Selbst wenn die Gerber zu tun bekamen, stank es hier weniger.
Seit ihrer Ankunft in Mainz war ihnen ein Glücksstern hold gewesen.Vater hatte bei den Pergamenthändlern einen Juden getroffen, den er noch aus Marseille kannte. Der brachte ihn mit den hiesigen Tora-Gelehrten zusammen. Ein paar Wochen später tauschte er sich schon mit Mönchen über Kräutermixturen und Heilpasten aus. Bald durfte er für die Barfüßer seine Grindsalbe anrühren. Die wirkte immer.
So war es wieder aufwärtsgegangen. Die Mönche hatten ihnen ein paar Stuben vermietet, dass sie die heruntergekommene Herberge hatten verlassen können, an der Aurelia jetzt schaudernd vorbeiging.
Die Halsabschneider im Ewigen Nest hatten ihnen zwei rheinische Kreuzer am Tag abgeknöpft für ein verwanztes Loch ohne Licht. Und von der madigen Linsensuppe zur
Nacht hatten sie nur einmal gekostet. Und doch war es noch nicht einmal die schlimmste Herberge in ihrem Leben gewesen, in der Aurelia hatte Unterkunft suchen müssen. Ganz in Gedanken beschleunigte sie ihre Schritte.
»Pass doch auf, wo du hinläufst!«, schrie ein Wagner ihr mitten ins Gesicht. Er rollte ein Fass an ihrem linken Fuß vorbei und stierte dabei auf ihre schlanke Fessel.
»Verzeiht, Herr.«
Ein wenig weiter in der Gasse sammelte Aurelia sich im Schatten einer Kapellenapsis. Die Wärme hatte sie durstig gemacht und so schlüpfte sie an den Zweigen eines Fliederbuschs vorbei und ging an alten Grabsteinen entlang zum Brünnlein hinter der nächsten Mauerecke. Hier traf sie sich manchmal mit Romuald. Aurelia war so froh, dass sie beide sich bald nicht mehr dort verbergen müssten, wenn sie einmal miteinander allein sein wollten.
Das Wasser schmeckte herrlich kalt und erfrischend. Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Hier hatte Romuald ihr den ersten Kuss gestohlen. Oder war es gar kein Raub, wenn die Besitzerin den Kuss überhaupt nicht für sich hatte behalten wollen?
Später in den Weinbergen, da hatte sie ihm mehr erlaubt. Sie selbst war mit den Händen über seinen schlanken Leib gefahren, so wie sie es als Kind die Gauklerinnen hatte tun sehen. Heiser gekichert hatten die Weiber dabei im Halbdunkel unter den schaukelnden Wagenplanen, und die Gaukler hatten gestöhnt vor Lust.
Wieder auf der Gasse schüttelte Aurelia die Hände trocken. Sie wollte ihre Freundin Rahel wegen der Stickerei um Rat fragen. Und auf dem Weg zu Rahels Judenhaus hielt die Kettlerin die eingelegten Früchte feil, die Vater so mochte. Das sparte Zeit. Der Stand war klein, aber dafür ganz aus glatten Brettern gezimmert wie ein Nonnenhäuschen, obgleich die
Kettlerin mit ihren sieben Kindern, von denen keins dem andern ähnlich sah, wahrlich nicht als eine fromme Frau galt.
»Habt ihr schon Pflaumen?«, fragte Aurelia in den halbdunklen Stand hinein.
Es kratzte in der Ecke, dann hörte sie einen Schlag. »Verdammtes Rattenvieh!« Das schmale Gesicht der Kettlerin tauchte aus dem Schatten auf. »Was willst du, Goldmacherin?« Sie warf etwas auf den Boden unter der Auslage.
»Ich will wissen, ob Ihr schon Pflaumen eingelegt habt.« Bei der Händlerin musste sie nicht höflich tun. Ihre Pflaumen in Rotwein waren schwerlich zu übertreffen. Selbst Vater konnte das geheime Gewürz nicht herausschmecken, womit das Mus so unvergleichlich auf der Zunge zerging.
Die Kettlerin lachte breit. In ihrem offenen Mund standen fünf Zahnstümpfe. »Sei froh, dass ich noch ein paar Töpfe habe. Willst du welche in Rotwein mit Zimt oder welche in Zwiebeln mit getrockneten Trauben, die man zum Wildbret nimmt?« Als sie sich über das Brett beugte, fielen ihr die langen, noch nicht ganz ergrauten Haare ins Gesicht. »Ach, was red’ ich. Süß muss es sein für die Weiber. So ist es immer. Besonders, wenn sie sich ans Heiraten machen.«
Die Kettlerin wusste es also auch schon. »Ich verlobe mich erst, die Hochzeit soll später sein.« Zwei Töpfchen aus rostrotem Tonbrand standen wie aus dem Nichts hervorgezaubert vor Aurelia.
»Noch nicht mal
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