Die Gordum-Verschwörung
überprüfen“, erklärte ihm Ackermann.
„So schnell wie möglich“, bekräftigte Greven und sah seine beiden Assistenten an, die sich die Liste schnappten und die Fotos ihren Kollegen überließen.
Während Häring damit beschäftigt war, seinen Laptop mit den Protokollen der Verhöre zu füttern und die Schautafel mit den Details zum Fall Claasen zu vervollständigen, tauchte Greven ein drittes Mal in Harms Welt ein, inzwischen abgebrannt und gesunken, aber auf schwarzweißem Fotokarton noch immer intakt. Die in vielen Stunden mit Hingabe gebaute Inneneinrichtung, die kleine Kombüse, die sein Leben lang gesammelten und gepflegten Platten, deren weitere Geheimnisse nun nicht mehr zu lüften waren, die Fender Stratocaster, die Bücher, die … Grevens Blick blieb abrupt an einem Buchrücken hängen. Er drehte das Foto um neunzig Grad und begann in dem Stapel auf seinem Tisch nach einer Detailaufnahme zu suchen, auf der die Schrift ohne Mühe zu erkennen war.
Zwischen Gisela Graichens Kultplatzbuch und John Gray Landels Technik der antiken Welt entdeckte er einen schmalen Band mit dem schlichten Titel Gordum , als Autor war mit einiger Mühe Gernot Djuren zu entziffern. Greven kannte sich zwar mit Schriftarten und Buchbindungen nicht aus, aber dieses Buch war kein altes Buch, stammte mit Sicherheit nicht aus vergangenen Jahrhunderten, schon gar nicht aus dem 16., sondern war ein modernes Taschenbuch. Unter der Lupe war zu erkennen, dass der Buchrücken konkav gewölbt war, das Buch war also oft oder intensiv gelesen worden.
Warum war ihm dieses Buch nicht bei seinem Besuch an Bord aufgefallen? Greven kannte die Antwort, in vielen Fortbildungsseminaren hatte er sie gelernt und später selbst doziert: Wahrnehmung ist Mustererkennung. Man kann nur das erkennen und einordnen, was man bereits kennt. Was man nicht kennt, übersieht man, überhört man, sortiert es aus, unbewusst, spontan. Selektive Wahrnehmung. Erst jetzt, nachdem ihm der Name Gordum geläufig geworden war, waren seine Blicke an dem Buchrücken hängen geblieben.
Greven lehnte sich zurück, fischte die goldene Münze aus seiner Hosentasche und besah sie unter der Lupe. Viel war in der Tat nicht zu erkennen, so abgewetzt war das weiche Metall, aber dafür war diese Münze als vollwertige Spur rehabilitiert, war einer der Gründe für den Mord an seinem Schulfreund, dessen war sich Greven nun wieder ziemlich sicher, ganz gleich, ob diese versunkene Stadt nun existierte oder nicht. Schon allein der Glaube an ihre Existenz konnte ausgereicht haben, um Harm seinen Fund streitig zu machen.
„Peter, kannst du für mich schnell einmal ins Internet gehen und ein Buch mit dem Titel Gordum ausfindig machen? Ich weiß allerdings nicht, ob es noch lieferbar ist. Könnte ein älteres Buch sein. Der Autor ist ein gewisser Gernot Djuren.“
„Kein Problem.“
Häring wandte sich von der Schautafel ab, auf der in der Mitte ein Foto von Harm Claasen hing, umgeben von Uhrzeiten und Namen, und setzte sich an seinen Laptop. Das Internet war seine zweite Heimat, und so brauchte Greven nicht lange auf das Resultat seiner Recherche zu warten.
„Sorry, Gerd, aber ein Buch mit diesem Titel gibt es nicht und ist auch nie von Libri oder anderen Großhändlern geführt worden. Auch die Deutsche Bibliothek in Frankfurt hat das Buch nicht in ihrem Katalog, und von den gängigen Internet-Antiquariaten wird es derzeit auch nicht angeboten. Nichts zu machen. Wofür brauchst du es eigentlich?“
„Eine Idee, eine vage Idee“, murmelte Greven, der sich mit seiner Lupe wieder auf das Foto stürzte. Doch er hatte sich nicht geirrt, das Buch existierte. „Versuche es einmal mit dem Namen des Autors. Gernot Djuren.“
„Den gibt es!“, meldete Häring wenig später. „Djuren, Gernot P., Oberstudienrat a.D., Fletumer Weg 7, 26506 Norden.“
„Mehr nicht?“
„Das ist alles. Er steht nur im Telefonbuch, vorausgesetzt, er ist der, den du suchst. Aber in der ganzen Republik gibt’s nur den einen Gernot P. Djuren.“
„Dann wird er’s wohl sein“, nickte Greven und notierte sich die Adresse, während Häring weiter im Netz auf die Jagd ging.
„Und dein Gordum, was immer das ist, gibt es auch“, meldete der Surfer plötzlich und ließ seinen Vorgesetzen aufspringen und trotz seines Knies zu ihm hinsprinten. Die Webseite, die Häring gefunden hatte, gehörte einem eingetragenen Verein mit Namen Lü van Gordum .
9. Kapitel
„Ihre Ausdruckskraft basiert nicht
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