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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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Gesichtsausdruck kam ihm in den Sinn, seine Skepsis, seine Fragen. Er schlug das kleine Büchlein zu und stand auf. Über ihm sang noch immer die Lerche. Die Salzluft folgte ihm, als er auf der Landseite vorsichtig den Deich hinunterstieg.

10. Kapitel
     
    W egen Trauerfall geschlossen .
    Obwohl ein einmaliges Lesen des handgeschriebeen Zettels, der von innen an die Glastür geklebt worden war, ausgereicht hätte, überflogen Grevens Augen den Satz gleich ein paar Mal. Seine Gedanken durcheilten blitzschnell das Möglichkeitsfeld, kombinierten Spekulationen und Fakten und geronnen schließlich zu einer Ahnung, die seinen Adrenalinspiegel nicht zur Ruhe kommen ließ. Er machte zwei Schritte zur nächsten Tür, die zu einem Wohnhaus gehörte, und drückte wahllos einen der Klingelknöpfe. Als niemand öffnete, zog er sämtliche Register. Doch die Tür blieb stumm. Stattdessen entfuhren einem der geöffneten Fenster die wütenden Flüche eines offenbar älteren Mannes auf die Jugend im Allgemeinen, dass es so etwas früher nicht gegeben hätte und er gleich die Polizei rufen würde. Als Greven sich zu erkennen gab und der Unbekannte das Wort Polizei hörte, verstummte er. Vergeblich versuchte Greven, ihn ans Fenster zu locken
    Er startete einen zweiten Versuch an der nächsten Tür. Der ältere Herr, der sie öffnete, haderte nicht mit der Jugend, sondern beantwortete freundlich seine Fragen.
    „Herr Jacobs? Der ist vor vier Tagen gestorben. Ein Herzanfall. Meine Frau ist zur Beerdigung. Die Nachbarn auch. Sind schon in der Kirche. Ich kann nicht, wissen Sie, mein Magen. War ja sehr beliebt, der Jacobs. Ein netter Nachbar. Hat immer freundlich gegrüßt. Verheiratet? Nein, aber seine Schwester lebt hier im Haus. Die ist allerdings auch auf der Beerdigung. Gehen Sie doch zur Teetafel, um 15 Uhr im Deutschen Haus .“
    Greven bedankte sich, ging zurück zur Tür des Ladens und ließ sein Handy arbeiten. Sein Daumen steppte über die Tasten. Lieber wollte er einen mittleren Fauxpas landen als einen schweren Fehler begehen. Einwohnermeldeamt. Die Kollegen von der Emder Kripo. Der zuständige Staatsanwalt. Der Text, den Greven mit betont energischer Stimme seinem kleinen tragbaren Büro anvertraute, war fast immer derselbe, die Gegenargumente auch. Aber letztendlich konnte er seine Gesprächspartner überreden, wenn auch nicht überzeugen.
    „Ja … ein begründeter Verdacht … Ich weiß, ich weiß … Nein, eine Obduktion ist unumgänglich … Und die Kollegen von der Spurensicherung … Natürlich noch heute! Die Beerdigung? Findet nicht statt. Und wenn der Sarg schon unten ist, lassen Sie ihn wieder ans Tageslicht bringen. Schicken Sie einen Wagen hin. Und die Trauernden zur Teetafel. Halt, die Kollegen sollen die Schwester von Herrn Jacobs hier herbringen. Ja, zum Geschäft. Nein, sofort. Ich sage Ihnen doch, ein begründeter Verdacht!“
    Kaum hatte Greven das Handy wieder in der Jackentasche verschwinden lassen, begann der Zweifel, an seiner Entscheidung zu nagen. Er hatte die ganze Stadt in Panik versetzt, jedenfalls wichtige Institutionen dieser Stadt, hatte eine Beerdigung im entscheidenden Augenblick vereitelt, einem längst ausgestellten Totenschein widersprochen, also einen Mediziner bloßgestellt, und einer Teetafel ihre Berechtigung entzogen, und das alles auf Grund einer mehr als vagen Ahnung. Von wegen, begründeter Verdacht. Greven schlich nervös vor dem Fachgeschäft hin und her, sah auf die Uhr und die vor ihm liegende Kreuzung, bevor sein Blick wieder an dem Zettel mit der Aufschrift Wegen Trauerfall geschlossen hängen blieb.
    Sein Knie pochte. Vielleicht sollte er alles auf sein Knie schieben. Es könnte nicht nur wetterfühlig, sondern auch mordfühlig sein. War das eine Lösung für den Fall der Fälle, ein vernarbtes Knie, das einen noch nicht lange zurückliegenden Mord durch einen feinen, zermürbenden Schmerz anzeigen konnte? Die Intuition eines sensiblen Knies, das kein Gewaltverbrechen ungesühnt lassen konnte, weil es selbst schon Opfer eines Anschlags geworden war? War von solchen Knien nicht bekannt, dass sie sich bisweilen auch irren konnten, dass sie den Luftdruck falsch deuteten oder, wie in seinem Fall, einen ganz gewöhnlichen Herztod als Mord diagnostizierten?
    Der schrille Klang eines Martinshorns beendete sein Gedankenspiel. Nur das Pochen im Knie blieb. Dem weiß-grünen Wagen, der unmittelbar vor Jacobs’ Laden hielt, folgte ein Zivilfahrzeug, das ebenfalls in der

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