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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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nämlich immer den Tee für uns gemacht. Aber er war allein. Ich konnte in seiner schwersten Stunde nicht bei ihm sein.“
    „Wo waren Sie denn?“
    „Auf einer Beerdigung. Die alte Frau Wermuth von gegenüber.“
    „Woher wissen Sie, dass er allein war?“
    „Es stand nur eine Tasse Tee auf dem Tisch.“
    „Die Sie bestimmt schon abgespült haben.“
    „Natürlich. Die ganze Wohnung habe ich geschrubbt. Wo doch der Tod im Haus war.“
    „Dann kann ich ja die Spurensicherung gleich wieder nach Hause schicken“, brummte Meier.
    „Nicht so voreilig, Herr Kollege“, bremste ihn Greven, „nicht alle Spuren lassen sich so einfach wegwischen.“ Dann wandte er sich wieder Frau Jacobs zu und bat sie, den Laden zu öffnen. „Darf ich mich kurz einmal umsehen?“
    „Was suchen Sie denn?“, fragte sie, als das kleine Grüppchen den Laden betrat.
    Greven überlegte und formulierte eine Gegenfrage: „Haben Sie nach dem Tod Ihres Bruders bemerkt, dass irgendetwas fehlt? Eine Münze, ein Buch?“
    „Nein“, antwortete Frau Jacobs, während Greven sich mit den Blicken durch den Verkaufsraum und die kleine, angrenzende Wohnung tastete. Sie jedenfalls schien nicht durchsucht worden zu sein. Alles hinterließ den Eindruck, an seinem Platz zu sein, auch wenn Greven nicht wusste, ob der jeweilige Platz auch der richtige war. Doch die pedantische Ordnung, auf die er stieß, überzeugte ihn, eine Art von Ordnung, die ihm fremd war, die mit der seinen, einer eruptiven und chaotischen, nichts gemein hatte. Die exakt in der Mitte des Tisches platzierte Fünfziger-Jahre-Vase mit den staubfreien Plastikblumen, das gehäkelte Deckchen in der Spüle, die durchnummerierten Schubladen, die polierten Münzen und adretten Briefmarken in den Auslagen, der Stahlstich vom Emder Rathaus an der Wand über dem Sofa, das ebenfalls verschiedene Häkeldeckchen zierten, all das war nicht seine Welt, sondern die eines perfekten Sammlers und Katalogisierers.
    In einer Nische, einem ehemaligen Durchgang zum Nachbargeschäft, stieß er auf eine kleine und offenbar alphabetisch sortierte Fachbibliothek, die er sofort inspizierte. René Sedillot: Historie morale et immorale de la monnaie ; Karl Walker: Das Geld und seine Geschichte ; Karl North: Das Geld ; Carlo M. Cipolla: Tre storie extra vaganti ; Kurt Karl Doberer … Nach kurzer Suche hatte sein Zeigefinger den Buchstaben D gefunden. Und eine Lücke, groß genug für einen Autor namens Djuren.
    „Sagt Ihnen der Name Gordum etwas?“, fragte Greven, sich Frau Jacobs zuwendend, die unschlüssig hinter ihm stand.
    „Gordum? Wir haben ein Buch mit diesem Titel. Herbert hat es mir erst kürzlich gezeigt.“
    „Wann, Frau Jacobs? Wann hat er es Ihnen gezeigt?“
    „Ich glaube, vorletzte Woche, vor acht oder neun Tagen. Genau kann ich Ihnen das nicht mehr sagen.“
    „Wissen Sie noch, warum er es Ihnen gezeigt hat?“
    „Wegen irgendeiner Münze, die in dem Buch abgebildet ist. ‘Da, sieh mal’, hat er gesagt, ‘hier ist die Münze sogar abgebildet’. Aber was an dieser Münze so Besonderes war, kann ich Ihnen auch nicht sagen, weil mein Bruder es mir nicht erklärt hat. Ich habe ihm ja nur bei der Buchführung und so geholfen. Von Münzen verstehe ich nicht viel. Er hat nur das Buch aufgeschlagen und gesagt ‘Da, sieh mal, hier ist die Münze.’ “
    „Mehr hat er nicht dazu gesagt?“
    „Nein. Wenig später hat er das Buch wieder zurück ins Regal gestellt. Schauen Sie doch mal nach. Direkt vor Ihnen. Ein weißes Buch.“
    „Ist es dieses hier?“, fragte Greven und holte das dünne Bändchen aus seiner Jackentasche.
    „Genau das ist es! Aber was macht es in Ihrer Tasche? Haben Sie es etwa …?“
    „Es ist mein Exemplar“, versicherte Greven. „Doch wo ist das von Ihrem Bruder?“
    „Na, hier …“, sagte Frau Jacobs und machte einen Schritt auf das Regal zu. Greven trat zur Seite, so dass ihr Finger vor der Lücke zu kreisen begann. „Hier hat es gestanden. Das weiß ich genau.“
    „Könnte es irgendwo im Laden oder in der Wohnung liegen?“
    „Bei uns liegt nichts rum. Das sehen Sie doch.“
    „Das Buch ist also weg?“
    „Wenn das da tatsächlich Ihres ist, wird es wohl so sein.“
    „Könnte Ihr Bruder es vielleicht verliehen haben?“
    „Auf keinen Fall. Unsere Bücher werden nicht verliehen. Die gehören zum Laden. Die braucht mein Bruder, um …“
    „Falls es doch irgendwo liegt, wird es die Spurensicherung finden.“
    „Nicht, dass ich neugierig wäre“,

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