Die Gordum-Verschwörung
Grappa?“
Greven nickte und machte sich daran, den Tisch abzuräumen, denn noch war er kein Pflegefall. Um die leeren Panzer der Hummer kümmerten sich die Hühner, die Mona im Garten hielt, und die sie mit frischen Eiern versorgten. Ohne Respekt vor dem ungewöhnlichen Futter stürzten sie sich auf die Reste der roten Exoskelette.
„Jetzt mal ganz im Ernst“, sagte Mona, als sie ihm den Espresso servierte, „hast du immer noch keinen Verdächtigen?“
„Nein“, gestand Greven ein. „Rick van’t Kerk und Weert Janssen sehe ich nicht als Mörder, obwohl sie noch immer kein Alibi haben. Außerdem kommen sie für den zweiten Mord kaum in Frage.“
„Djuren scheidet wohl auch aus.“
„Ohne Frage, aber ich bin mir sicher, dass auch er Besuch von unserem Phantom hatte. Denn das ist er, ein echtes Phantom, hinterlässt keine Spuren, bleibt unsichtbar, lässt aber alles verschwinden, was irgendwie auf Gordum hinweist. Entweder will er nicht, dass die Stadt gefunden wird …“
„… oder er will sie selbst finden.“
„Oder er will etwas erreichen, was wir noch gar nicht wissen. Auf jeden Fall ist er kein Dummkopf, und er arbeitet sehr zielgerichtet und rücksichtslos. Der weiß ganz genau, was er will, und das will er um jeden Preis. So schätze ich ihn ein.“
„Weiß er, dass du die Münze und den Plan hast?“, fragte Mona nach einer kleinen Pause.
„Daran habe ich auch schon gedacht. Jacobs könnte es ihm gesagt haben. Wahrscheinlich sogar.“
„Aber dann …“, begann Mona und machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Keine Sorge“, stürzte sich Greven in die Bilder, die sie sich auszumalen begann. „Ich werde ihn schon erwischen. Auch Phantome hinterlassen irgendwann Spuren. Morgen bin ich mit dem ganzen Team in Greetsiel. Wir haben alle, vor denen Claasen mit seinem Fund geprahlt hat, in den Hafenkieker geladen. Und bei der Gelegenheit werde ich auch Thea Woltke einen Besuch abstatten.“
„ Lü van Gordum ? Ich dachte, die treiben ihr Unwesen in Emden?“
„Die Adresse im Internet gehört zu einem leerstehenden Büro. Du wirst lachen, aber Thea Woltke wohnt in Greetsiel. Außerdem sind die Lü van Gordum kein eingetragener Verein. Trotz des e.V.“
„Ich lache nicht“, meinte Mona und füllte die Grappagläser. „Hast du inzwischen Häring und die anderen über die Münze und die Karte aufgeklärt?“
„Ist mir ja wohl nichts anderes übrig geblieben.“
„Wurde ja auch höchste Zeit. Du wärst sonst nämlich …“
„Ich weiß, ich weiß, die Dienstvorschrift kennt kein Pardon. Haben auch ganz schön geschaut, die drei, als sie meine Beichte hörten. Ist mir verflucht schwer gefallen.“
„Und?“
„Na ja, Peter hat mich gerettet.“
„Wie?“
„Er hat gesagt, dass ihm das angesichts des Mordes an einem alten Schulfreund auch hätte passieren können, und dass es in einem solchen Fall schwer sei, objektiv und rational zu bleiben.“
„Das hat Peter Häring gesagt? Der brave und korrekte Datensammler?“
„Das hat er gesagt. Und dass für ihn die Sache damit erledigt sei.“
„Wow, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Und Jaspers und Ackermann?“
„Haben sich Peters Interpretation vorbehaltlos angeschlossen und auch gleich unseren Bericht geändert. Mein Fund ist jetzt offiziell.“
„Na, über die Mitarbeiter kannst du dich aber wahrlich nicht …“
„Ich weiß, Mona, ich weiß.“
Nach dem obligaten Abwasch, der Massage des feinfühligen Knies und einem weiteren Grappa verloren sich Mona und Greven in den Kissen der riesigen Couch im vorderen Teil des Ateliers. Mona hatte aus Oldenburg nicht nur Feinkost, sondern auch eine CD mitgebracht, die sie in die Nacht begleitete. Lange hatten sie diese Klänge nicht mehr gehört; die dazugehörigen Vinylscheiben hatte ihnen das Leben längst abgenommen: Jimi Hendrix. Electric Ladyland . Obwohl sich Grevens Sentimentalität in Grenzen hielt und er eine allzu heftige Beschwörung der Vergangenheit, die kaum ohne Verklärung zu haben war, ablehnte, gab er sich in Monas Armen Teenagerabenteuern hin, erzählte ihr und ließ sich erzählen. When I was young.
12. Kapitel
Greven schlug die Vernehmungsprotokolle auf und überflog noch einmal die Namen. Vor ihm standen die sechzehn Zeugen von Harms Auftritt im Hafenkieker , von denen er einige kannte. Die anderen waren Neubürger oder Touristen. Ihm ging es nicht darum, sie alle nochmals zu vernehmen, das hatten Ackermann und Jaspers schon ausgiebig getan, sondern
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