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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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hatten sie verraten, José Nasi und Reyna Mendes, so konnten nur Juden heißen, und da sie den Nachweis der Taufe, den er verlangte, nicht erbringen konnten, hatte er sich geweigert, sie zu trauen. Der betrunkene Dorfpfarrer von Schiltigheim hatte auf Fragen verzichtet. Vielleicht war es besser so, dachte Reyna. Vielleicht war es besser, hier in dieser kleinen, schäbigen Dorfkirche zu heiraten als in dem großen, prächtigen Dom. Schließlich heirateten sie ja bloß zum Schein.
    »Ihr seid heute hierhergekommen, um einander die Ehe zu versprechen.«
    Draußen dunkelte schon der Tag, als der Priester endlich zur Sache kam. Er räusperte sich noch einmal, und nachdem er den Rotz in den Ärmel gespuckt hatte, blickte er auf den Zettel, auf dem er sich die Namen des Brautpaars notiert hatte, und wandte sich an den Bräutigam, der nur mühsam ein Grinsen unterdrücken konnte.
    »José Nasi, bist du bereit ...«
    Er hatte kaum zu sprechen begonnen, da öffnete sich knarrend das Kirchentor.
    Reyna drehte sich um. Konnte es sein, dass ihre Mutter ... ? Sie kniff die Augen zusammen, um in dem Dämmerlicht etwas zu erkennen. Doch nein, die Gestalt, die in der hintersten Bankreihe Platz nahm, war keine Frau. Es war nur der Kurier, der die Trauungsurkunde nach Brüssel bringen sollte. Enttäuscht wandte sie sich wieder zum Altar, wo der Priester mit seinen gichtigen Händen im Messbuch blätterte.
    »José Nasi«, wiederholte er nuschelnd, als er endlich in den Text gefunden hatte, »bist du bereit, die hier anwesende Reyna Mendes zu deinem Weib zu nehmen?«
    Plötzlich verschwand das Grinsen aus Joses Gesicht, und mit zärtlichem Ernst griff er nach Reynas Hand. »Ja«, sagte er und lächelte sie an. »Ja, ich nehme dich zum Weibe. Ich will dich lieben, achten und ehren und dir stets die Treue halten. Trag diesen Ring als Zeichen meiner Liebe.«
    Während er ihr den Ring über den Finger streifte, ging etwas Seltsames in Reyna vor. Sie wusste, José und sie heirateten hier nur zum Schein - nur ein Rabbiner konnte sie wirklich trauen, unter der Chuppa, in der Gemeinde, nachdem sie in der Mikwa das Tauchbad genommen hatte, und alles hier war so falsch, wie es falscher gar nicht sein konnte: die zugig kalte Kirche, der nuschelnde, betrunkene Pfarrer, der blutige Christengott, der von seinem Holzkreuz auf sie herabschaute - und trotzdem, als sie ihre Hand in Joses Hand legte, sein Gesicht sah, sein zärtliches Lächeln, und als sie schließlich selbst die kleinen unscheinbaren Worte sagte: »Ja, ich will«, diese Worte, mit denen sie sich zu José bekannte, da war es, als könnte nichts auf der Welt wahrer sein als diese Formel, als dieses Bekenntnis zu José vor einem falschen Gott. Ja, José war ihr Mann, der Mann, den das Schicksal für sie bestimmt hatte, um ihn zu lieben und zu ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod sie scheide ... Der Priester hob die Hand zum Segen. »In nomine patris, et filii et spiritu sancti.« »Amen!«, antworteten Reyna und José wie aus einem Munde. »Du darfst die Braut jetzt küssen«, sagte der Priester zu dem Bräutigam, um sich dann, als das Brautpaar seiner Aufforderung folgte, ein letztes Mal im Text zu verirren. »In deo te absolvo.«
     

47
     
    »Ihr habt mich betrogen!«, zischte die Regentin. »Ihr habt Euer Wort gebrochen!«
    »Weil wir ein paar tausend Sack Pfeffer verkauft haben?«, erwiderte Diogo. »Seit wann ist das ein Verbrechen? Ihr selbst habt der Firma Mendes doch die Wiederaufnahme der Geschäfte ausdrücklich erlaubt.«
    »Ihr habt Euch an der Börse mit Diamanten eingedeckt«, erklärte Aragon. »In riesigen Mengen, und Eure Frau Brianda hat sie ins Ausland gebracht.« »Meine Frau ist zur Kur nach Aachen.«
    »Dass ich nicht lache! Drei Fuhrwerke, um Heilwasser zu trinken? Ihr wollt Euch absetzen! Die ganze Sippe! Das ist der wirkliche Grund Eures Ausverkaufs!«
    »Ganz normale Geschäfte - weiter nichts! Meine Familie betreibt ein großes Handelshaus, mit Niederlassungen in fast allen Ländern der Erde.«
    »Und warum stehen in Antwerpen Eure Lagerhäuser leer? Warum legt keines Eurer Schiffe mehr im Hafen an? Die Firma Mendes hat sich praktisch in Luft aufgelöst. Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern.«
    »Davon kann keine Rede sein. Eine zufällige Verquickung von Ereignissen ...«
    »Senhor Aragon hat recht, das alles stinkt zum Himmel!« Maria schlug mit der Hand auf die Lehne ihres Thrones. »Acht Wochen sind seit der Entführung meiner

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