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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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und geistlichen Macht aufgebrochen war und die Konzilsväter in zwei unversöhnliche Lager zu spalten drohte. Während der Papst auf eine baldige und scharfe Verurteilung der protestantischen Irrlehren drängte, wollte Kaiser Karl, aus Angst vor dem Abfall seiner Vasallen, die heilige katholische Kirche selbst reformieren. Das Taktieren um Kompromisse im Glauben widerte Cornelius Scheppering an. Was immer die Konzilsväter auch beschließen mochten: Die Bekehrung der Juden war oberstes und vordringlichstes Ziel aller apostolischen Bemühungen in der Nachfolge Jesu - die Bekehrung der Juden oder aber ihre Vernichtung. Von diesem Ziel lenkte das Gezänk in Trient nur ab. Dabei war aus Regensburg bedrohliche Kunde zu hören. Dank der Vermittlung seines Freundes Maximilian war es José Nasi in der deutschen Bischofsstadt gelungen, Gnade vor dem Kaiser zu finden - nicht einmal die scharfen Proteste seiner Schwester, der Regentin, die die Wiedereinsetzung der Firma Mendes in ihre alten Rechte mit dem Mut einer Löwin bekämpfte, hatte etwas daran zu hindern vermocht. Damit war Gracia Mendes, die Buhle des Teufels, wieder imstande, ihr schändliches Werk fortzusetzen und wie früher ganze Heerscharen marranischer Ketzer, die vor der Gerechtigkeit Gottes aus ihrer portugiesischen Heimat flohen, mit ihren Schiffen über Antwerpen und Venedig nach Konstantinopel zu bringen, in das Reich des muselmanischen Antichristen. Als Kardinal Carafa ihn in sein neues Amt berief, hatte Cornelius Scheppering sich darum schleunigst auf den Weg gemacht - trotz der körperlichen Gebrechen, die ihm immer heftiger zusetzten. Ja, die Geißel Gottes strafte ihn unerbittlich. Im Gegensatz zu seinem Verstand, dessen Schärfe ihn bisweilen selbst erschreckte, ließ sein von Pusteln übersäter Leib ihn mehr und mehr im Stich. Während die Schmerzen ihn in allen Gliedern plagten, schwankten seine Sinne zwischen überdeutlicher Wahrnehmung und tauber Blödheit. Auch geschah es mitunter, dass er sein Habit mit seinen eigenen Exkrementen besudelte, weil die Herrschaft über Darm und Blase nicht mehr vollkommen in seiner Macht stand. Doch solche Erniedrigung nahm Cornelius Scheppering als Strafe für seine Verfehlungen ohne Murren hin und pries voller Demut den Herrn, der ihm nun Gelegenheit gab, seine Sünden wiedergutzumachen. Die Verbrennung der unheiligen Judenschriften auf dem Markusplatz sollte nur der erste Akt in einem Drama sein, an dessen Ende Jesus Christus über Gracia Mendes und ihr Glaubensgesindel triumphieren würde!
    Zu diesem Zweck begab Cornelius Scheppering sich an einem warmen Sommermorgen zum Palazzo Gritti, um Brianda Mendes seine Aufwartung zu machen. Die Schwester der Firmenherrin war das schwächste Glied in der Familie. Wenn es ihm mit Gottes Hilfe gelänge, dieses Glied zu brechen, konnte Cornelius Scheppering die ganze Teufelsbrut auseinandersprengen. »Was führt Euch zu mir?«, fragte Brianda, sichtlich erschrocken über sein Erscheinen. »Bringt Ihr Nachricht zum Stand meines Prozesses?«
    Sie empfing ihn in einem Kabinett, dessen Wände voller Bilder mit ihrem eigenen Konterfei waren. Selten hatte Cornelius Scheppering solche Hoffart erlebt. Doch er sagte nur: »Als Diener der Kirche freue ich mich über Euren Entschluss, in der Stadt und nicht im Ghetto Wohnung zu nehmen. Dieses Glaubensbekenntnis ist zweifellos Gottes Werk!« »Ich habe mich stets bemüht, meinen Christenpflichten zu genügen.«
    »Was man von Eurer Schwester leider nicht behaupten kann. Doch ich bin überzeugt, dass man diesen Unterschied bei Gericht zu würdigen weiß.« »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Alles irdische Recht erwächst aus dem Gesetz Gottes. Das Gericht wird sorgfältig unterscheiden, welche Partei den Glauben im Herzen trägt und welche ihn nur mit den Lippen bekundet.« Er schaute ihr fest in die Augen. »Warum tragt Ihr Euer Haar nicht bedeckt?«, fragte er. »Aus Hoffart oder um ein Zeichen zu setzen?«
    »Ich ... ich habe mir nicht viel dabei gedacht«, stammelte Brianda und beeilte sich, ihr Haar mit einem Schleier zu verhüllen, der lose um ihre nackten Schultern hing.
    »Versucht erst gar nicht, Euch zu verstellen. Eure Verlegenheit hat Euch verraten. Ihr wollt mit Eurer Haartracht ein Zeichen setzen, gegen den jüdischen Glauben. Weil Ihr auf dem Pfad des Herrn wandelt.«
    Misstrauisch erwiderte Brianda seinen Blick. »Wolltet Ihr nicht von dem Prozess sprechen?«
    »Wart Ihr schon mal im Ghetto?«, fragte er zurück, ohne ihr

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