Die Gottessucherin
Regensburg führte. Doch nur Samuel Usque wusste, dass Dona Gracia damit in Wahrheit die Überführung von Dom Franciscos Leichnam ins Land seiner Väter vorbereitete, wie sie es ihrem Mann auf dem Sterbebett versprochen hatte.
Wenige Wochen nach dem Pessachfest machte Samuel sich auf den Weg, und zu Schawuot, dem Abschluss der Frühlingsfeste, traf er in Rom ein. In dem Brief, den er einem Sekretär des Papstes übergab, versprach Dona Gracia für den Fall, dass ihrem Begehren stattgegeben werde, in Venedig eine Kapelle zu errichten, zur katholischen Beisetzung ihres Mannes. Bereits nach zwei Tagen erhielt Samuel die Antwort mit der Erlaubnis, Dom Franciscos Leichnam in Lissabon zu exhumieren. Doch seine Freude über diesen Erfolg wurde durch eine schreckliche Nachricht ge trübt. Giovanni Pietro Carafa, der Ordensmeister der Dominikaner und fanatischste Judenhasser Roms, sollte zum Kardinal ernannt werden.
Samuel Usque blieb bis zu Carafas Ernennung in der Stadt, um einen Tag nach Schiwa Asar, dem Fasttag zum Gedenken an den Abriss der Jerusalemer Stadtmauer durch Nebukadnezar, die Rückreise anzutreten. Er hatte sich für den Weg über Ferrara entschieden - ein entfernter Verwandter von ihm, Abraham Usque, ein Onkel dritten oder vierten Grades, betrieb dort eine Druckerei. Herzog Ercole, der Herrscher von Ferrara, galt als ein Freund der Juden; vielleicht würde er die Drucklegung von Samuels Buch in seinem Herzogtum erlauben. Bei der Ankunft in Ferrara fand Samuel die Druckerei verlassen vor. Doch als er die Gebete hörte, die aus einer unweit gelegenen Synagoge drangen, wurde ihm bewusst, dass seine Glaubensbrüder den Sabbat feierten. Wie hatte er diesen Tag nur vergessen können! Zum Glück erwies sich sein Onkel als gutmütiger Mann, der ihm das Versäumnis nicht übelnahm.
Schon wenige Tage später verschaffte er ihm Zugang zur Hofkanzlei, wo Samuel Usque als Agent des Hauses Mendes mit großer Freundlichkeit empfangen wurde: Herzog Ercole werde sein Begehren wohlwollend prüfen. Und falls Dona Gracia sich je genötigt sehe, Venedig zu verlassen - die Regierung in Ferrara verfolge mit großem Interesse, zu welcher Blüte sie ihre Firma in der neuen Heimat geführt habe, vor allem aber, mit welchem Mut sie den Juden zur Flucht nach Konstantinopel verhelfe, in einer Zeit, in der so etwas schon sehr bald den Tod bedeuten könne ... Als der Beamte Samuels verständnisloses Gesicht sah, beugte er sich über die Schranke, um ihm die neuesten Nachrichten ins Ohr zu flüstern: Auf Drängen seines Kardinals Carafa habe der Papst beschlossen, in der Markusrepublik das Glaubensgericht einzusetzen.
Noch am selben Tag reiste Samuel Usque aus dem Herzogtum ab, um nach Venedig zurückzukehren. Am Tischa beAv, dem Trauertag der Juden, sah er die Stadt aus der Lagune vor sich auftauchen. Obwohl sein Magen vom Fasten knurrte, weitete sich sein Herz, wie stets beim Anblick der Serenissima. Doch während das Boot, das ihn vom Festland übersetzte, sich dem Herzen der Stadt näherte, runzelte er die Stirn. Was war das für ein seltsamer schwarzer Rauch, der die Kuppel von San Marco verhüllte?
Kaum hatte Samuel Usque das Boot verlassen, sah er die Worte des Ferrareser Kanzleisekretärs in schauerlicher Weise bestätigt. Auf dem Markusplatz loderte ein riesiges Feuer in den Himmel, und ein Mönch, im schwarz-weißen Habit der Dominikaner, übergab Berge von Thorarollen und Talmudtraktaten unter dem Beifall einer johlenden Menge und dem Kreischen angstvoll aufflatternder Tauben den Flammen.
Samuel Usque war entsetzt. Wie konnte der Glaube, der die Menschen doch einen sollte, sie in so schrecklicher Weise entzweien?
14
Kein Geringerer als Cornelius Scheppering war mit dem Auftrag betraut, das Glaubensgericht in Venedig einzusetzen. Er selbst hatte darauf gedrängt, seit Gracia Mendes sich mitsamt ihrer Familie und ihrem Vermögen nach Italien abgesetzt hatte, und seine Erhebung zum Großinquisitor der Lagunenstadt war eine der ersten Amtshandlungen Kardinal Carafas gewesen, der sich als sein alter Glaubensgeneral glücklich pries, im Streit um die heilige Sache einen so treuen Glaubenssoldaten an seiner Seite zu wissen. Das Ernennungsdekret hatte Cornelius Scheppering in Trient erreicht, wo er als Stellvertreter seines Ordensmeisters mit der Vorbereitung der nächsten Konzilssitzung beschäftigt war. Die Unterbrechung der Beratungen war wegen eines gefährlichen Zwistes nötig geworden, der zwischen der irdischen
Weitere Kostenlose Bücher