Die Gottessucherin
eigenen Schutz errichtet hat.« Auch wenn es eitel und hoffärtig war, konnte er ein feines Lächeln nicht unterdrücken. »Mit Eurer Ehe wollte Dona Gracia sich vor den Flammen der Liebe schützen, die sie mit Eurem Mann verband. Aber es ist ihr nicht gelungen - die Flammen sind über die Mauer geschlagen!«
15
Konnte es einen Zweifel geben, dass Gott diese zwei Menschen füreinander bestimmt hatte?
»Ich kann dir gar nicht sagen«, flüsterte Reyna, »wie sehr ich dich vermisst habe.«
»Hast du nicht gespürt, dass ich jeden Tag an dich gedacht habe?«, erwiderte José zärtlich, um sie dann frech anzugrinsen. »Immer wenn ich eine Frau mit Sommersprossen sah, und davon gab es in Deutschland jede Menge, musste ich ...« »Was, du Schuft?«, fiel Reyna ihm ins Wort. »Du wagst es, andere Frauen anzuschauen?«
»Nur um mich zu vergewissern, dass keine so hübsch ist wie du.«
Mit einem Lächeln schaute Gracia den beiden zu. José war am Abend aus Regensburg zurückgekommen. Seitdem saßen Reyna und er Seite an Seite vor dem Kamin, in dem ein kleines Feuer prasselte, die Augen ineinander versenkt, und hielten sich an den Händen, als wollten sie sich nie wieder loslassen. Obwohl es nach dem Gesetz verboten war, dass sie sich in solcher Weise berührten, ließ Gracia es geschehen. Bald würden die zwei ohnehin heiraten. Der Segen des Herrn ruhte so sichtbar auf ihnen, dass sie einen Anflug von Neid verspürte. Warum war ihr selbst eine so unschuldige Liebe nie vergönnt gewesen? Sie verscheuchte den Gedanken wie einen Schatten. War das Glück der beiden nicht auch ihr Werk?
»Und der Kaiser hat dich wirklich zum Ritter geschlagen?«, fragte Reyna.
»Warum glaubst du mir nicht?«, fragte José zurück. »Ich hab dir das Schwert doch gezeigt. Karl ist so knapp bei Kasse, dass er ohne uns seinen Krieg gar nicht führen könnte.« »Außerdem bekommt er zu dem Darlehen noch zweimal dreißigtausend Dukaten«, ergänzte Gracia. »Wir hatten nur mit dreißigtausend gerechnet.«
»Auf der Verdopplung der Summe hat Karl bestanden«, sagte José. »Als Strafe für Eure und Dona Briandas Flucht. Aber dafür erkennt er die zweihunderttausend Dukaten als Schuld an, die Dom Francisco ihm geliehen hat. Wenn wir Glück haben, bekommen wir das Geld eines Tages wirklich zurück. Und die Speicher und Kontore in Antwerpen gehören wieder der Firma Mendes.«
»Wie hast du das nur alles geschafft?«, wollte Reyna wissen. »Ganz einfach«, lachte José. »Ich habe gedroht, nach Antwerpen zu fahren und die Kaufmannschaft zu mobilisieren. Wie deine Mutter es damals getan hat, um Dom Diogo aus dem Gefängnis freizubekommen. Als Karl das hörte, hat er mich lieber zum Ritter geschlagen.« Er unterbrach sich und drehte sich zu Gracia herum. »Gibt es schon irgendeine Entscheidung in Eurem Prozess?«
»Nein«, sagte sie. »Es wurde noch nicht mal ein Termin anberaumt.«
»Wenn die zwei wenigstens miteinander reden würden«, sagte Reyna. »Aber sie weigern sich - beide! Keine will den ersten Schritt tun. Eine ist sturer als die andere. Dabei vermisse ich meine Tante so sehr.«
»Wer weiß, wozu es gut ist?«, sagte Gracia. »Brianda setzt dir sowieso nur Flausen in den Kopf.«
»Wie kannst du nur so schlecht von ihr reden? Sie ist deine Schwester!« Reyna drehte sich zu José um. »Du musst mit Dona Brianda sprechen. Damit die beiden endlich aufhören zu streiten. Vielleicht hört sie ja auf dich.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!«, sagte Gracia. »Außerdem -dafür ist es längst zu spät. Das Verfahren ist offiziell eröffnet. Ein Zurück gibt es nicht mehr.«
»Das sind doch alles nur Ausreden! Weil ihr beide nicht nachgeben wollt! Du am allerwenigsten!« Reyna schüttelte den Kopf. »Ihr solltet euch schämen! Anstatt euch zu vertragen, schadet ihr euch lieber gegenseitig. Ihr seid schlimmer als Kain und Abel!
Aber glaub mir, wenn José mit ihr redet - schließlich hat er sogar den Kaiser rumgekriegt ...«
Lautes Klopfen am Haustor unterbrach sie. Gracia zuckte zusammen. Fast täglich kreuzten Dominikaner bei ihr auf, sowohl im Palast als auch in der Firma, um nach versteckten Flüchtlingen zu suchen. Aber um diese Zeit? Es war schon bald Mitternacht. Im nächsten Moment flog die Tür auf.
»Tante Brianda? Du?« Reyna sprang auf, um ihre Tante zu umarmen. »Ich habe so gehofft, dass du irgendwann kommst, und jetzt ... Mein Gott, was bin ich froh!«
Doch Brianda achtete nicht auf sie. Ohne sie auch nur
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