Die Gottessucherin
übersät.
»Warum lässt du sie nicht an deinen Schwanz?«, lachte Maximilian. »Haben sie dich inzwischen doch beschnitten?«
12
»Warum müsst Ihr Euch vor Gericht streiten?«, rief Reyna. »Das ist doch Wahnsinn!«
»Sag das deiner Mutter, nicht mir«, erwiderte Brianda. »Sie will mich verhungern lassen - ihre eigene Schwester! Weiß sie eigentlich, dass du bei mir bist?«
Reyna schüttelte den Kopf. »Ich hab ihr gesagt, ich würde ins Ghetto gehen, um koschere Speisen zu besorgen, Matze und geschächteten Hammel.«
»Das hab ich mir gedacht.« Brianda verzog das Gesicht. »Alles muss sie kontrollieren. Sie kann es nicht ertragen, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Aber so war sie schon immer, schon als Kind. Diese ewige Rechthaberei. Nie kann sie zugeben, etwas falsch gemacht zu haben.«
»Ich kann das alles nicht verstehen. Die Firma hat doch mehr Geld, als wir überhaupt ausgeben können. Das muss doch für euch beide reichen.«
»Deine Mutter hat alles allein geerbt. Ich besitze nichts, keinen Pfennig, nur meine Mitgift. Darum glaubt sie, sie kann mich erpressen. Damit ich mit ihr nach Konstantinopel ziehe. Aber den Gefallen werde ich ihr nicht tun!« Brianda ging zu einem der vielen Schränke, die an den Wänden ihres Ankleidezimmers standen, und holte eine Bluse daraus hervor, aus silberner Seide mit kleinen Schellen an den Schultern. »Da - die ist für dich. Die hast du doch immer so gemocht.« »Für mich?«
»Ja, ich schenke sie dir«, sagte Brianda. »Der Streit zwischen deiner Mutter und mir soll mit uns beiden nichts zu tun haben.« Reyna nahm die Bluse, und ohne sich etwas dabei zu denken, trat sie vor den Spiegel, wie sie es schon tausendmal gemacht hatte. Aber statt sich anzuschauen, sah sie durch ihr eigenes Spiegelbild hindurch. Wie sollte das alles nur weitergehen? Sie hatte mit ihrer Mutter gesprochen, sie hatte mit Brianda gesprochen, wie der und wieder, doch ohne Erfolg, und Joses Rat hatte auch nicht geholfen. Er hatte ihr zurückgeschrieben, sie solle Rabbi Soncino um Vermittlung bitten. Aber nicht mal dem Rabbiner war es gelungen, die Schwestern zu versöhnen. Im Gegenteil, Rabbi Soncino hatte den Streit nur verschärft. Ohne Brianda anzuhören, hatte er erklärt, dass sie dem Letzten Willen ihres Mannes, wie im Testament verfügt, gehorchen und sich allen Anordnungen ihrer Schwester unterordnen müsse.
»Los, worauf wartest du?«, fragte Brianda. »Warum probierst du die Bluse nicht an?«
»Ich kann das Geschenk nicht annehmen«, sagte Reyna. »Wenn meine Mutter die Bluse nur sieht, landet sie im Kamin.« Sie wich dem Blick ihrer Tante aus, und während sie mit der Hand über den Seidenstoff strich, flüsterte sie: »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Aber ... es gibt etwas, das ich nicht begreife.« »Was denn, mein armer Liebling?«
»Warum hat Onkel Diogo alles meiner Mutter vermacht? Das gesamte Vermögen der Firma?« Sie zögerte einen Moment und starrte auf die schwarz-weißen Bodenkacheln zu ihren Füßen. Dann, ohne den Blick zu heben, fuhr sie fort: »Ich meine, das ist doch nicht normal. Onkel Diogo war doch
dein
Mann. So was ... so was tut ein Mann doch nur, wenn ... wenn ...« »Wo denkst du hin!«, rief Brianda. »Deine Mutter hat viele Fehler - aber das? Niemals! Schlag dir das sofort aus dem Kopf!« Sie nahm die Bluse und zog Reyna an der Hand auf die gepolsterte Bank, die zwischen zwei Schränken stand. »Eins musst du für immer wissen. Deine Mutter hat deinen Vater geliebt, wie keine andere Frau je einen anderen Mann geliebt hat. So sehr, dass sie später niemanden mehr anschauen wollte, der auch nur eine Hose trug.« Sie drückte Reynas Hand. »Vielleicht ist sie darum so geworden, wie sie jetzt ist. Sie hat seinen Tod nie verkraftet.« »Aber warum könnt ihr euch dann nicht vertragen?« Reyna hob den Kopf und sah ihre Tante an. »Bitte, mach du den ersten Schritt. Ich halte euren Streit nicht länger aus.«
»Das würde ich ja gerne, aber - das kann ich nicht.« »Warum denn nicht?« Reyna spürte, wie Brianda ihr die Hand entziehen wollte, aber sie hielt sie fest. »Bitte, Tante Brianda. Tu's mir zuliebe. Ich will, dass wir alle wieder zusammen sind, so wie früher. Komm jetzt einfach mit mir nach Hause und sprich mit ihr. Dann wird alles wieder gut.«
»Ach Reyna, ich wünschte mir doch auch, wir hätten Frieden. Vor allem deinetwegen. Du bist für mich ja immer wie eine Tochter gewesen.« Mit einem energischen Ruck entzog sie dem
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