Die Gottessucherin
nach Italien. Schon morgen früh.«
Reyna traute ihren Ohren nicht.
»Was
musst du?«
»Ja, du hast richtig gehört - leider. In Ancona ist der Teufel los.
Der ganze Handel mit Europa steht auf dem Spiel.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Der Papst hat sein Versprechen gebrochen, die Schutzrechte für Juden sind aufgehoben. Jetzt wütet die Inquisition in Ancona schlimmer als irgendwo sonst in Italien. Die Dreckschweine haben unsere Kontore und Speicher angezündet! Viele Juden wurden schon umgebracht!«
»Und ausgerechnet da willst du hin?«, rief Reyna entsetzt. »Das lasse ich nicht zu! Nie und nimmer!«
»Beruhige dich. Ich fahre ja gar nicht nach Ancona, sondern nach Rom. Ich soll mit dem Papst verhandeln und dafür sorgen, dass er, verdammt noch mal, die Zusagen einhält, die sein Vorgänger uns gegeben hat.«
»Kann das nicht jemand anderes tun? Duarte Gomes soll nach Rom fahren. Er ist unser Agent in Italien. Das ist seine Aufgabe.« José schüttelte den Kopf. »Dona Gracia meint, die Sache sei zu wichtig. Sie will sie niemandem außer mir anvertrauen.« »Aber warum? Nur weil du damals den Kaiser rumgekriegt hast?«
»Den Kaiser und den Sultan«, erwiderte er mit einem Anflug von Stolz. »Jedenfalls behauptet deine Mutter, ich sei der Einzige, der dafür in Frage komme. Schließlich geht es um die Zukunft der Firma.« Um seine Lippen spielte ein kleines Lächeln, das er sich vor lauter Stolz nicht verkneifen konnte. »Sag mal, freust du dich etwa auch noch über den Auftrag?«, fragte Reyna. »Oder was bedeutet dieses blöde Grinsen?« Noch bevor sie ausgesprochen hatte, war das Lächeln von seinen Lippen verschwunden. »Was soll ich denn machen?«, erwiderte er mit schuldbewusster Miene. »Alles, was ich bin und habe, verdanke ich deiner Familie. Ich war noch ein Kind, als meine Eltern starben und dein Großvater mich in sein Haus aufnahm. Deine Mutter hat mich wie einen jüngeren Bruder behandelt. Sie hat mir Lesen und Schreiben beigebracht, ohne sie würde ich heute Ziegen hüten.« Er machte eine Pause, um die richtigen Worte zu finden. »Wenn Dona Gracia mich jetzt um Hilfe bittet, habe ich keine Wahl. Ich
muss
nach Rom fahren. Ich würde sonst die Achtung vor mir selbst verlieren. Kannst du das nicht verstehen?« »Doch, natürlich verstehe ich das.« Reyna spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten. »Aber trotzdem - gibt es nicht irgendeine andere Möglichkeit?«
»Du musst nicht traurig sein«, sagte José. »Es ist ja nicht für immer. Und unsere Hochzeit holen wir nach, sobald ich wieder ...« »An die Hochzeit denke ich ja gar nicht!«, unterbrach sie ihn.
»Was soll das heißen?«, fragte er mit gespielter Entrüstung. »Willst du etwa nichts mehr von mir wissen?« »Ach, José ...« Zärtlich erwiderte sie seinen Blick. »Ich habe solche Angst, dass dir etwas zustoßen könnte. Wenn der Papst in Ancona sein Wort gebrochen hat, wer garantiert dann, dass sie dir in Rom nichts antun? Wenn ich mir vorstelle, dass ich dich womöglich nie wiedersehe ...«
»Mein Liebling!« José nahm sie in beide Arme und drückte sie an sich. »Für mich ist es doch genauso schlimm wie für dich. Als ich aus Ungarn kam, hatte ich gehofft, ich würde für immer nur noch bei dir sein, mein ganzes Leben lang.« Er nahm sie bei der Hand und führte sie aus dem Wäldchen hinaus zu einem Felsvorsprung, von wo aus sie freie Sicht auf die andere Seite der Meerenge hatten. »Siehst du die Villa da drüben? Neben dem Galata-Turm?«
Reyna kniff die Augen zusammen. »Meinst du den grün gestrichenen Holzpalast? Mit der goldenen Kuppel? Was ist damit?«
José hob ihr Kinn und schaute sie an. »Eigentlich wollte ich es dir erst sagen, wenn der Tag unserer Hochzeit feststeht.« Er streifte mit seinen Lippen ihre Nasenspitze. »Das ist unser Haus. Ich hab es für uns gekauft. Da werden wir zusammen leben.« »José ...« Sie war so überrascht, dass sie nur seinen Namen hauchen konnte. »Ist das ... ist das wirklich wahr?« »Glaubst du, ich mache Witze?«, fragte er. »Irgendwo müssen unsere Kinder schließlich leben! Und du weißt ja, ich will mindestens ein Dutzend haben. Sechs Jungen und sechs Mädchen.« Reyna wollte etwas erwidern, aber sie war unfähig, auch nur ein vernünftiges Wort hervorzubringen. Jetzt ließ sie ihre Tränen fließen und sank laut schluchzend an seine Brust. »Ist die Vorstellung, mit mir zu leben, denn so schlimm?« Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste ihre Tränen
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