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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ins Gegenteil. Doch was zum Teufel konnte er tun, wenn weder Geld noch gute Worte halfen? José fiel nur noch eine Möglichkeit ein: Dem Papst stand das Wasser bis zum Hals. Im Norden machten die Protestanten ihm die Hölle heiß, im Osten rückten die Türken schon auf Wien vor. Vor allem aber bestritten immer mehr Fürsten in der Nachbarschaft die Vorherrschaft des Vatikans in Italien und zogen gegen den Kirchenstaat zu Felde, an vorderster Front der Herzog von Ferrara. Ließ sich aus dieser Not des Papstes eine Tugend für die jüdische Sache machen? José wollte es zumindest probieren.
    »Darf ich Eurer Heiligkeit einen Vorschlag unterbreiten?«
    Der Papst bedeutete ihm mit der Hand, zu sprechen.
    »Würdet Ihr in Ancona Milde walten lassen und den Marranen wieder die alten Schutzrechte gewähren, wenn die Firma Mendes sich im Gegenzug verpflichtet, Eure Truppen gegen den Herzog von Ferrara auszurüsten?«
    Eine lange Weile passierte nichts. Mit unbewegter, steinerner Miene erwiderte der Papst Joses Blick, vollkommen ausdruckslos. Hatte er den Vorschlag etwa nicht verstanden? »Was seid Ihr nur für ein Mensch?«, flüsterte er schließlich, so leise, dass José die Worte kaum verstand. »Ein Jude, der sich als Christ ausgibt, um Christen, die sich hinter einem falschen Judentum verstecken, der gerechten Strafe zu entziehen ...« Plötzlich belebte sich sein Gesicht, das erstarrte Faltenmeer begann zu zucken, die Augen weiteten sich, die Wangen bebten, der runzlig zerrissene Mund brach auf: ein Krater, ein brodelnder Vulkan, der Feuer und Lava spie.
    »Judas!«, schrie er und schnellte von seinem Thron hoch. »Wollt Ihr den Fürsten verraten, der Eurer Herrin Unterschlupf gab?« Voller Verachtung spuckte er vor José aus. »Wache! Jagt diesen Mann aus meinem Haus! Ich will ihn nie wiedersehen!«
     

11
     
    Der Schlag gegen die Conversos in Ancona war ein Erdbeben, dessen Wellen sich über den ganzen Kontinent ausbreiteten und sämtliche Seestädte rund um das Mittelmeer erfassten. Es dauerte nur wenige Wochen, bis die Folgen auch in Konstantinopel zu spüren waren. Fast der gesamte Handel mit Europa, der über den Hafen an der adriatischen Küste abgewickelt wurde, kam am Bosporus zum Erliegen. Dutzende jüdischer Firmen gingen bankrott, in den Speichern und Kontoren trat eine gespenstische Stille ein, und auch die Geschäfte der Firma Mendes erloschen so plötzlich und unvermittelt, als hätte irgendwo am anderen Ende der Welt jemand eine Kerze ausgeblasen.
    Konnte es einen deutlicheren Beweis dafür geben, wie notwendig das Volk der Juden ein eigenes Land brauchte? Die Stunde der Wahrheit war gekommen: Tiberias oder Reynas Lebensglück - eine dritte Möglichkeit gab es nicht. Gracia konnte die Entscheidung nicht länger hinauszögern. Auch wenn es ihr das Herz brach, sie musste ihrer Tochter endlich reinen Wein einschenken. Oder sie würde an ihrer eigenen Lüge ersticken. Es war ein regnerischer Nachmittag, die dunklen Wolken hingen so tief über dem Meer, dass sie die grauen Wasserfluten zu berühren schienen, als Gracia in das Nähzimmer trat, wo Reyna im Schein einer Öllampe über einer Stickerei saß. »Woran arbeitest du?«, fragte sie. »An der Bettdecke. Für meine Aussteuer.« »Sehr schön«, sagte Gracia, ohne hinzusehen. »Warum bist du nicht im Kontor?«, wollte Reyna wissen, weiter über ihre Arbeit gebeugt. »Habt ihr dort gar nichts mehr zu tun ?« »Ich ... ich muss dich um etwas bitten.«
    »Soll ich mich um das Abendessen kümmern?«, fragte Reyna. Sie machte noch ein paar Stiche, bevor sie aufschaute. Als sie das Gesicht ihrer Mutter sah, zuckte sie zusammen, als hätte sie sich mit der Nadel in den Finger gestochen. »Um Himmels willen! Was hast du? Ist etwas passiert?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, selten ist mir etwas so schwergefallen. Ich habe immer wieder gehofft, irgendeine Lösung zu finden. Aber es gibt keinen Ausweg.« »Dann spann mich nicht auf die Folter! Sag, was es ist! Oder willst du mir Angst machen?«
    Gracia zögerte noch einen Moment. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Du musst José aufgeben. Ihr beide könnt nicht heiraten.«
    »Nein!«, rief Reyna. »Nicht schon wieder!« Sie stand auf und warf ihre Stickerei auf einen Nähtisch. »Was hast du dir diesmal ausgedacht? Muss José vielleicht erst Moslem werden, bevor er mit mir unter die Chuppa darf?«
    Gracia schüttelte den Kopf. »Der Sultan will, dass du den Sohn des Großwesirs

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