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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Schweizergarde bewachten Flügeltür und wartete nervös darauf, dass die beiden Wachmänner ihre Hellebarden senkten und ihn in den Saal vorließen. Man sagte, im Vatikan habe es früher mehr Huren gegeben als in allen Hafenstädten Italiens zusammen. Doch auf dem endlos langen Marmorflur ließ sich keine einzige Frau blicken, nicht mal eine Nonne. Eine Atmosphäre der Angst hing in der Luft. Wohin José sah - überall düstere Gesichter ernster Glaubenseiferer, die entweder einander scharfe Befehle zuzischten oder mit himmelwärts gerichteten Augen leise Gebete flüsterten. Um sich Mut zu machen, tastete er nach den Beutelchen in seinen Taschen, die Diamanten im Wert von fünfzigtausend Dukaten enthielten. Rom war die Hauptstadt der Bestechung, und der Papst, der nicht für Geld zu kaufen war, musste erst noch geboren werden. Doch darin sollte er sich gründlich täuschen. »Olet!«, schnarrte der Pontifex, als José vor seinem Thron stand. »Euer Geld stinkt! Wir wollen keinen Judaslohn! Ihr könnt Eure Silberlinge behalten!«
    Papst Paul, ein hagerer Greis mit Augen wie zwei Kohlestückchen und einem wallenden Bart, zog ein Gesicht, als wären ihm die Ausdünstungen eines faulen Fischs in die Nase gestiegen. Trotz des prächtigen Ornats wirkte er nicht wie der Führer der Christenheit, sondern eher wie ein einfacher Einsiedlermönch. José brauchte keine zwei Minuten, um seinen Irrtum zu begreifen. Diesem Mann war mit Geld nicht beizukommen. Wenn überhaupt, ließ er sich nur durch Argumente überzeugen. »Es liegt mir fern, Eure Heiligkeit zu beleidigen«, beeilte er sich zu erwidern. »Mit den Diamanten wollte ich nur die Verehrung ausdrücken, die meine Herrin Dona Gracia für Euch hegt. Doch darf ich Eure Heiligkeit in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass Euer Vorgänger im Amt, Papst Julius, den Marranen von Ancona Garantien ausgesprochen hat, verbriefte Rechte, die ihnen freien und ungehinderten Aufenthalt in der Stadt gewähren?«
    »Julius war ein Ketzer, der selbst vor das Glaubensgericht gehört hätte! Seine Zugeständnisse an die Scheinchristen waren Verrat am gekreuzigten Heiland! Doch mit der Juderei in Ancona ist Schluss! Ab sofort gelten dort dieselben Vorschriften wie in allen Städten des katholischen Glaubens. Habt Ihr unsere Bulle
Cum nimis absurdum
gelesen?« José schüttelte den Kopf.
    »Dann sperrt Eure Ohren auf.« Carafa hob seine knochige Hand, um die Vorschriften des Erlasses an den Fingern einzeln aufzuzählen. »Juden dürfen nur in gesonderten Stadtvierteln leben. Alle Juden, ob Männer oder Frauen, müssen gelbe Abzeichen tragen. Kein Jude darf in einem christlichen Haushalt tätig sein. Jüdischen Ärzten ist es untersagt, rechtgläubige Christen zu behandeln. Der Geldverleih durch Juden wird eingeschränkt.« »Ich verspreche Eurer Heiligkeit«, erklärte José, »dass die jüdische Gemeinde von Ancona sich allen Euren Anordnungen ohne Murren fügen wird. Ihre Mitglieder wollen nur in Frieden ihren Geschäften nachgehen. Doch erlaubt mir die Frage: Wenn Eurem Willen Genüge getan ist, hören die päpstlichen Truppen dann auf, Juden vor das Glaubensgericht zu zerren?« Die Augen des Papstes verengten sich zu Schlitzen. »Sprecht Ihr von den portugiesischen Marranen?«
    José nickte.
    »Wie könnt Ihr dann fragen?«, erwiderte Carafa. »Solange sie als brave Christen leben, soll ihnen kein Leid geschehen. Doch wenn sie sich der Ketzerei schuldig machen, müssen sie bestraft werden, wie die himmlische Gerechtigkeit es verlangt.« »Bitte verzeiht meine Hartnäckigkeit, Heiliger Vater«, wandte José ein. »Aber die Marranen sind keine Christen, sondern Juden. Und Juden können nicht der Ketzerei bezichtigt werden. Weder von der Inquisition noch von einem weltlichen Gericht.« »Eure Argumente sind so verworren wie ein Wollknäuel, mit dem eine Katze spielt«, erklärte Carafa. »Seit König Manuels Zeiten hat kein Jude, der nicht getauft wurde, Wohnrecht in Portugal. Folglich kann kein Mensch, der aus diesem Land stammt, Jude sein. Nein!«, fuhr er mit erhobener Stimme fort, als José protestieren wollte. »Die Wahrheit lässt sich weder verbiegen noch verdrehen. Die Marranen sind getaufte Christen! Und wenn getaufte Christen jüdischen Glaubensriten frönen, sind sie Ketzer und gehören verbrannt! Ad maiorem dei gloriam!« José biss sich auf die Lippen. Was er auch sagte, jedes Wort drehte der Papst ihm mit dominikanischer Schläue im Mund um und verwandelte seine Argumente

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