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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Stadt gewährt hat. Ich bin ein Mann von Prinzipien - auf mich ist Verlass.« »Es liegt mir fern, Eure Prinzipien auf die Probe zu stellen«, erwiderte Cornelius Scheppering. »Aber Euer alter Auftrag hat seine Gültigkeit verloren. Paragraph fünfzehn der päpstlichen Bulle besagt, dass alle früheren apostolischen Regeln, Anweisungen  und Gesetze außer Kraft gesetzt sind, sofern sie dem neuen Erlass widersprechen.«
    »Solcher Wankelmut entspricht nicht meiner Wesensart«, erklärte Aragon und nahm seine Wanderung wieder auf. »Warum soll ich mir für Euch die Hände schmutzig machen? Ich habe nichts gegen die Marranen, im Gegenteil. Das sind lauter tüchtige und gebildete Leute - mit einigen verkehre ich sogar privat. Duarte Gomes zum Beispiel, der Agent der Firma Mendes, gehört zu meinen engsten Freunden. Abgesehen davon, wüsste ich nicht, wie ich ohne ihn mein Leben bestreiten sollte. Er zahlt mir doppelt so viel wie der Heilige Vater. Was verlangt Ihr von mir? Dass ich einen solchen Freund verrate?«
    Mit erhobenen Armen blieb Aragon vor Cornelius Scheppering stehen. Der eitle Pfau hatte Fett angesetzt, doch um die Polster an den Hüften zu kaschieren, hatte er seinen Leib in eine so enge Uniform gezwängt, dass sie jeden Moment zu platzen drohte. Angewidert schaute Cornelius Scheppering zu Boden. Er war autorisiert, Aragon nötigenfalls seines Amtes zu entheben. Doch würde er damit der heiligen Sache dienen? Alles kam darauf an, die Aktion so rasch wie möglich durchzuführen, am besten noch in dieser Nacht, bevor das Judengesindel Lunte riechen und sich aus dem Staub machen würde. Also überwand er seinen natürlichen Widerwillen und zwang sich, Aragons tragischen Schmerzensblick mit einem Lächeln zu erwidern. Das Gute musste sich eben manchmal des Bösen bedienen, um den Weg zum Heil zu ebnen. Selbst das Erlösungswerk Jesu Christi wäre ohne den Verrat seines Jüngers Judas nicht möglich gewesen. »Könnte eine Provision von zwanzig Prozent Euch helfen, Eure Bedenken im Interesse der Vorsehung aufzugeben?«, knurrte Cornelius Scheppering.
    »Ihr meint - zwanzig Prozent auf das Vermögen aller Marranen, die ich Euch ans Messer liefere?« In Aragons Gesicht ging die Sonne auf, und mit großer Geste streckte er Cornelius Scheppering seine manikürte Hand entgegen. »Topp, die Wette gilt!«
     

8
     
    Zwei Jahre nach ihrer Ansiedlung in Konstantinopel war die Firma Mendes das mit Abstand größte Handelshaus in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Die Speicher und Kontore - unterhalb der Serailspitze gelegen, gleichsam im Schatten und Schutz des Sultanspalasts - nahmen eine ganze Häuserzeile am Hafen ein. Von morgens bis abends herrschte in den Gebäuden rastlose Betriebsamkeit. Bis zu einem halben Dutzend Schiffe wurden hier täglich abgefertigt, meist unter Aufsicht der Firmenchefin, die auch heute zusammen mit ihrem Neffen die Frachtbriefe kontrollierte und die Einnahmen mit den Ausgaben im Hauptbuch verglich, ohne auf den herrlichen Blick zu achten, den man vom Kontor aus auf den Bosporus und das Goldene Horn hatte.
    »Gibt es immer noch keine Nachricht von der Gloria?«, fragte sie, während sie mit ihrem Gänsekiel die Zahlenreihen entlangfuhr, um nach erfolgter Prüfung die einzelnen Posten abzuhaken. »Sie ist seit zwei Tagen überfällig.«
    »Nein«, antwortete José. »Aber falls Ihr gerade Zeit habt - ich ... ich muss dringend mit Euch reden.«
    »Nein«, antwortete José. »Aber falls Ihr gerade Zeit habt - ich ... ich muss dringend mit Euch reden.«
    »Ich hoffe nur, dass Dom Miguel nicht irgendwelchen Piraten in die Hände gefallen ist«, fuhr Gracia fort, als hätte José nichts gesagt. »Die Gloria hat tausend Kisten Murano-Glas und dreihundert Ballen feinsten Ziegenleders an Bord. Die Ladung ist zwanzigtausend Golddukaten wert. Ganz zu schweigen von den Flüchtlingen.«
    José legte seine Schreibfeder ab. Sosehr die Geschäfte ihn sonst interessierten, an diesem Morgen waren sie ihm vollkommen gleichgültig. Er hatte Reyna versprochen, Dona Gracia zur Rede zu stellen. Und er war entschlossen, sein Versprechen endlich zu erfüllen.
    »Warum weicht Ihr mir aus?«, fragte er.
    Seine Tante begriff sofort, was er meinte. »Ach, ich habe es dir doch schon zehnmal erklärt«, erwiderte sie, ohne von der Arbeit aufzuschauen. »Ihr seid bereits verheiratet! Das ist das Problem !«
    »Weil uns ein betrunkener elsässischer Pfarrer getraut hat?«, rief José. »In einer halbverfallenen

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