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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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machen, hatte Carafa sie in seiner Bulle »Cum nimis absurdum« als Christusmörder gebrandmarkt, die durch eigene Schuld von Gott zu ewigen Sklaven verdammt waren, und sodann seinen treuesten und tapfersten Glaubenssoldaten nach Ancona geschickt, um endlich auch dieser verlotterten Stadt das Gnadenwerk der Inquisition angedeihen zu lassen.
    Cornelius Scheppering war gewillt, seinen heiligen Auftrag zu erfüllen und dem päpstlichen Erlass sowohl dem Geist als auch dem Buchstaben nach Geltung zu verschaffen. Dafür musste er sich allerdings mit einem Mann arrangieren, den er persönlich nicht ausstehen konnte - Oberst Aragon, Befehlshaber der päpstlichen Truppen vor Ort und Judenkommissar, den noch der alte Pontifex auf Drängen Kaiser Karls in dieses Amt berufen hatte. Doch Zögern und Zaudern war Cornelius Schepperings Sache nicht.
    Noch am Tag seiner Ankunft suchte er seinen alten Widersacher in der Präfektur auf, dem großartigsten Palazzo der Stadt, der sich bezeichnenderweise in unmittelbarer Nachbarschaft der Firma Mendes befand.
    »Bruder Cornelius?«, rief Aragon erstaunt. »Seid Ihr es wirklich?«
    »Was für eine unsinnige Frage! Wer denn sonst sollte ich wohl sein?«
    »Wie lange ist das her, dass wir uns nicht mehr gesehen haben?« »Zehn Jahre hatte Gott der Herr Erbarmen mit mir.« »Fast hätte ich Euch nicht erkannt. Wie Ihr ausseht!« Aragon grinste übers ganze Gesicht. »Verzeiht, aber Ihr erinnert mich an einen alten Freund in Lissabon. Er trieb es mit jeder Hure in der Stadt und nahm ein fürchterliches Ende. Ihr versteht schon - die Geißel Gottes! Der Himmel gebe, dass Euch sein Schicksal erspart bleibe.«
    Cornelius Scheppering wollte etwas erwidern, aber vor Aufregung rumorte es plötzlich in seinen Gedärmen, und seine Zunge versagte ihm den Dienst. Aus Angst, dass sich seine Ohnmacht womöglich in sinnlosem Gestammel entladen würde, knirschte er mit den Zähnen und dachte an die Leiden Christi. Aragon war ihm verhasster denn je, doch für die Durchführung seines Auftrags war er auf den spitzbärtigen Spanier angewiesen, der sich immer noch grinsend und ohne jede Scham an seinem Elend weidete. »Bitte beruhigt Euch«, flötete Aragon mit scheinheiliger Anteilnahme, während Cornelius Scheppering nach Worten rang. »Ich wollte Euch nicht ängstigen. Euer Leiden hat zweifellos andere Ursachen. Vermutlich sind die Pusteln ein Zeichen Eurer Erwähltheit. - Aber sagt, was führt Euch zu mir?« »Könnt Ihr Euch das nicht denken?«, erwiderte der Dominikaner, als er endlich die Sprache wiederfand. »Ancona ist das letzte Schlupfloch der Juden. Der Papst will dem Spuk ein Ende machen.«
    »Ich habe die Bulle gelesen«, sagte Aragon, plötzlich ernst. »Der Heilige Geist scheint seine Meinung gründlich geändert zu haben.«
    »Wollt Ihr Gott lästern?«, herrschte Cornelius Scheppering ihn an. »Endlich setzt sich die Christenheit so entschlossen zur Wehr, wie Gott und der Glaube es verlangen. In diesem heiligen Krieg hat der Papst uns zu seinen Soldaten bestimmt! Wir sollen den Sumpf austrocknen, ein für alle Mal! Seid Ihr bereit zu gehorchen?«
    Er hatte so scharf gesprochen, dass der Spott aus dem Gesicht des päpstlichen Kommissars verschwand. Mit gerunzelter Stirn strich Aragon sich über seinen Spitzbart. »Darf ich hören, wie die Befehle lauten?«
    Cornelius nahm in dem geschweiften Armsessel Platz, den Aragon ihm mit nachlässiger Geste anbot, und als der Spanier in seiner goldbehangenen Uniform sich ihm gegenübersetzte und die Beine übereinanderschlug, begann er den Plan zu erläutern, den er im Auftrag des Heiligen Vaters entworfen hatte. Er hatte aber noch keine fünf Minuten gesprochen, da hielt es Aragon nicht länger auf seinem Platz, und während der Dominikaner auf die einzelnen Maßnahmen einging, die zur Erfüllung ihres gemeinsamen Auftrags nötig sein würden, marschierte der Kommissar mit stetig wachsender Unruhe vor der Fensterreihe auf und ab, bis nach einer guten Viertelstunde schließlich Cornelius in seiner Rede innehielt.
    »Ich verstehe«, sagte Aragon und stützte sich auf die Rückenlehne des Stuhls, hinter dem er gerade stand. »Ihr meint es diesmal wirklich ernst. Und ich soll die Drecksarbeit erledigen.« Wieder strich er sich über den Bart, dann schüttelte er den Kopf. »Aber ich muss Euch enttäuschen - Eure Pläne entsprechen nicht meinem Auftrag. Ich bin hier, um die Einhaltung der Schutzrechte zu garantieren, die Papst Julius den Marranen in dieser

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