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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Messer. Entsetzt stieß José den Leichnam von sich. Keine Minute länger würde er in dieser Stadt bleiben!
    »Welch hoher Besuch«, sagte plötzlich eine Stimme in seinem Rücken. »Dann stimmt es also doch? Man hat mir Eure Ankunft soeben gemeldet.«
    José fuhr herum. In der Tür stand ein Offizier der päpstlichen Armee, in goldbehangener Uniform und schwarzen Strümpfen. »Senhor ... Aragon?«
    Der Spanier kam lächelnd auf ihn zu. »Wie schön, Euch wiederzusehen, Dom José. Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise.«
     

16
     
    »Hast du schon gesehen?«, fragte Gracia. »Omar Bey hat dir einen goldenen Armreif geschickt!«
    Reyna schaute kaum hin. Jeden Tag ließ der Sohn des Großwesirs ihr Geschenke bringen.
    »Und ein Diadem. Aber - was ist das?« So vorsichtig, als hielte sie einen Schatz in Händen, öffnete Gracia den Deckel einer buntlackierten Schachtel. »Konfekt!«, rief sie und lachte. »Wie reizend! Das hat er bestimmt selbst ausgesucht!« Sie nahm ein dick mit Puderzucker bestäubtes Stück aus der Schachtel und reichte es Reyna. »Komm, probier mal!«
    »Du kannst es gerne essen, wenn du Lust hast. Von mir aus die ganze Packung.«
    Gracia steckte sich das Stück Konfekt in den Mund. »Hm, köstlich. Lokum, mit Pistazien. Möchtest du nicht doch vielleicht... ?« Reyna schüttelte den Kopf.
    »Na, dann vielleicht später.« Ihre Mutter verschluss die Schachtel und legte sie zurück zu den anderen Geschenken. »Omar Bey war heute schon wieder bei mir im Kontor. Stell dir nur vor! Der Sohn des Großwesirs - wie ein Bittsteller! Er möchte dich so gerne kennenlernen.«
    »Ich ihn aber nicht«, erwiderte Reyna. »Bitte, Mutter, begreif doch - ich will ihn nicht heiraten!«
    Gracia tauchte ihre zuckrigen Finger in die Waschschüssel, die auf einer Truhe neben dem Esstisch stand. »Ich weiß, was in dir vorgeht«, sagte sie. »Aber ich glaube, es wäre besser, du würdest dir José aus dem Kopf schlagen.«
    »Besser für wen?«, fragte Reyna. »Für dich oder für mich?« »Ich mache mir Sorgen um dich. Du bist doch kaum noch wiederzuerkennen. Du lachst nicht mehr, du redest nicht mehr, du gehst nicht mehr aus dem Haus. Wie eine Schlafwandlerin schleichst du herum!« »Ist das ein Wunder?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wäre es nicht besser, du würdest den Tatsachen endlich ins Auge sehen? Du hast José zur Rede gestellt, aber bis heute hat er dir nicht geantwortet.« Während Gracia sich weiter die Hände wusch, schaute sie über die Schulter zu ihrer Tochter.
    Reyna wich ihrem Blick aus. Ihre Mutter hatte ja recht. Immer wieder war sie auf den Dachboden geklettert, Woche für Woche, Tag für Tag. Unzählige Stunden hatte sie dort oben verbracht und sehnsüchtig in den Himmel gestarrt wie einst Noah über das Meer, in der Hoffnung, eine Taube am Horizont zu entdecken ... Doch keine Nachricht von José. Immer nur der einsam gurrende Täuberich.
    »Siehst du?« Gracia nahm eine Bürste, und während sie anfing, damit ihre Hände zu bearbeiten, sagte sie: »Omar würde dir die Welt zu Füßen legen. Er ist nicht nur reich, sondern auch gebildet. Fast so gebildet wie ein Jude. Angeblich spricht er fünf Sprachen.« Sie schaute auf ihre Hände, war aber noch nicht zufrieden. »Du würdest uns allen einen großen Gefallen tun«, erklärte sie und tauchte die Bürste erneut ins Wasser. »Herrgott, Mutter! Musst du dir unbedingt die Hände waschen, wenn du mit mir sprichst?«
    »Das Lokum klebt so an den Fingern, das Zuckerzeug geht irgendwie nicht ab.«
    »Das bildest du dir doch nur ein! Deine Hände sind ja schon ganz rot von der Schrubberei.«
    »Lenk nicht vom Thema ab!«, sagte Gracia und traktierte ihre Finger, als würde Pech daran kleben. »Du kannst die Entscheidung nicht ewig vor dir herschieben. Auch der Sultan will wissen, wann die Hochzeit stattfindet.« Sie nahm den Krug und goss sich noch einmal Wasser über die Hände. »Reyna, bitte. Wir brauchen Süleymans Unterstützung, jetzt mehr denn je. Du weißt doch, was in Italien los ist. Was muss denn noch alles passieren, damit du begreifst, wie viel von deiner Entscheidung abhängt? Nicht nur für dich, für uns alle!« Sie stellte den Krug wieder hin und griff zum Handtuch. »Sag mal, willst du ihn dir nicht wenigstens mal anschauen?«
    Während Gracia sich die Hände abtrocknete, starrte Reyna auf die Geschenke. Noch nie in ihrem Leben war sie so ratlos gewesen. Was sollte sie tun? Sie liebte José ja noch immer - so sehr, dass sie nachts

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