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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen.
    »Droht Ihr mir mit der Folter?«, rief er. »Nur zu! Die Wahrheit bleibt immer die Wahrheit!«
    Cornelius Scheppering schüttelte voller Verachtung den Kopf. »Ich bin Seelsorger, kein Feldscher. Die Folter des Leibes wird nicht nötig sein. Wir haben andere Mittel, um Euch die Zunge zu lösen.«
    Er hob die Hand. Gleich darauf stieg Oberst Aragon in seiner goldbehangenen Uniform die Stufen zum Podium herauf, um dem Dominikaner ein Schriftstück auszuhändigen. »Erkennt Ihr das wieder?«, fragte Cornelius Scheppering und fuchtelte mit dem Dokument in der Luft. »Es trägt Eure Unterschrift.«
    Mit klirrenden Ketten trat José vor den Richtertisch. Ein Blick genügte, um ihm das Blut in den Adern erstarren zu lassen. Das Dokument, das Cornelius Scheppering ihm unter die Nase hielt, war seine eigene Heiratsurkunde. Darin bestätigte Amiel Oberlin, Pfarrer von Schiltigheim bei Straßburg, dass er, José Nasi, und Reyna Mendes nach dem Ritus der katholischen Kirche getraut hatte.
    »Wollt Ihr Eure Behauptung, Jude zu sein, immer noch aufrechterhalten?«
    José fiel keine Antwort ein. Er spürte nur, wie sich eine unsichtbare Hand um seine Kehle legte. Auf dem Platz war es so still, dass man das Plätschern der Wellen hörte, die leise gegen die Schiffsplanken schlugen.
    »Euer Schweigen ist beredter als ein Geständnis.« Cornelius Scheppering nickte. »Ja, Ihr seid ein getaufter Christ. Doch die Wohltat der Taufe, die Gott Euch in seiner Gnade zuteilwerden ließ, um Eure Seele von der Erbsünde zu erlösen, hat Euch nicht daran gehindert, weiter dem jüdischen Götzendienst zu frönen.« Während Cornelius Scheppering mit angewidertem Gesicht sein Beweisstück zu den Akten legte, wurden im Publikum Rufe laut.
    »Auf den Scheiterhaufen mit ihm!« »Ja, verbrennt den Juden!«
    José lief es kalt über den Rücken. Immer mehr Zuschauer fielen in die Rufe ein, mit geballten Fäusten schrien sie ihre Forderungen heraus, Hunderte von Menschen, die seinen Tod verlangten. »Damit habt Ihr wohl nicht gerechnet?«, fragte Aragon. Mit einem höhnischen Grinsen verließ der Spanier den Zeugenstand. José musste sich beherrschen, um ihm nicht an die Gurgel zu springen.
    »Ruhe! Oder ich lasse den Platz räumen!«
    Cornelius Scheppering hob die Arme und wartete, bis der Lärm sich gelegt hatte. Dann richtete er seine quellklaren Augen wieder auf José.
    »Ihr ekelt mich an«, sagte er. »Ihr wechselt Euer Glaubensbekenntnis, wie es Euch gerade vorteilhaft erscheint. Einmal lebt Ihr als Jude, dann wieder behauptet Ihr, ein Christ zu sein. Pfui Teufel! Doch jetzt ist Euer Spiel aus. Es bedarf nur noch eines Beweises, und Ihr seid der Ketzerei überführt.« Der Dominikaner war nur ein alter, schmächtiger Mann, den José mit bloßen Händen hätte umbringen können. Doch noch nie hatte jemand ihm solche Angst eingeflößt wie dieser syphilitische Haufen Dreck. An der Schläfe des Mönchs war eine Pustel aufgeplatzt, Eiter quoll aus der Schwäre. Sollte diese Höllenfratze das letzte menschliche Antlitz sein, das er auf Erden zu sehen bekam? Er hatte nur zwei Möglichkeiten: Entweder er sagte die Wahrheit und bekannte sich zu seinem Judentum; in dem Fall war seine Hinrichtung sicher, und er würde als Märtyrer sterben. Oder aber er legte ein Geständnis ab, bereute und schwor, in Zukunft die Gesetze des christlichen Glaubens zu befolgen; dann würde er vielleicht mit dem Leben davonkommen, als Sträfling auf einer Galeere oder auf einer Gefängnisinsel. José entschied sich für einen dritten Weg. »Ich bin ein Untertan Sultan Süleymans und stehe unter seinem kaiserlichen Schutz«, erklärte er. »Der Herrscher des Osmanischen Reiches wird nicht dulden, dass mir auch nur ein Haar gekrümmt wird. Ich vertrete hier die Firma Mendes!« »Judenbengel!«, heulte Cornelius Scheppering auf. »Das wagst du, mir ins Gesicht zu sagen? Du ... du ... du ....« Vor Zorn geriet er ins Stammeln, sein Gesicht zuckte. Doch dieser Zustand währte nur eine kurze Weile, dann fand er seine Sprache wieder. »Glaubt ja nicht, dass Ihr die Inquisition einschüchtern könnt! Ihr befindet Euch auf päpstlichem Gebiet! Hier gilt allein das Wort des dreifaltigen Gottes!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sagt endlich die Wahrheit! Seid Ihr ein getaufter Christ? Ja oder nein?«
    »Die Taufe erfolgte unter Zwang«, erwiderte José. »Sie hat keinerlei Gültigkeit. Ich warne Euch: Wenn Sultan

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