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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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geknüpft: Die Kosten für die Bauarbeiten müssten die Conversos tragen. Doch woher sollte José das Geld nehmen? Bis Dona Gracia es aus Konstantinopel schickte, konnte eine Ewigkeit vergehen. Also war er von Pesaro weiter nach Ancona geritten, um sich hier mit Duarte Gomes zu treffen und von dem Besitz der Firma zu retten, was noch zu retten war. Er hoffte nur, dass diese Entscheidung kein Fehler war. Nach einer Weile, die José wie eine Ewigkeit erschien, kehrte der Wachsoldat aus dem Schilderhäuschen zurück, um ihm seinen Pass wieder auszuhändigen.
    »Alles in Ordnung. Der Leutnant hat Eure Papiere geprüft. Ihr könnt passieren!« »Na, endlich!«
    José wartete, bis das Tor geöffnet wurde, dann gab er seinem Wallach die Sporen. Noch immer spürte er bei jeder Bewegung des Pferdes sämtliche Rippen im Leib, doch irgendwie hatte er sich an die dauernden Schmerzen gewöhnt. Er biss die Zähne aufeinander und schaute sich um. Den Anblick der Stadt hatte er sich schlimmer vorgestellt. Bei einigen Häusern waren zwar die Fenster eingeschlagen, ein paar Gebäude waren abgebrannt, wahrscheinlich die Synagogen, doch sonst schien alles friedlich. Hausfrauen erledigten ihre Einkäufe, wie überall auf der Welt, und aus den Werkstätten drangen die vertrauten Geräusche der Handwerker auf die Straße, obwohl die Abendsonne schon lange Schatten warf. José fasste die Zügel nach. Vielleicht waren die Berichte der Flüchtlinge von den Greueln in der Stadt ja übertrieben? Rom und der verfluchte Papst waren weit. Außerdem war Ancona eine Handelsstadt, wo Kaufleute statt Glaubensfanatiker den Ton angaben.
    Er trabte gerade um eine Straßenecke, als plötzlich sein Pferd scheute. Ein Mann, der es sehr eilig hatte, rannte ihm über den Weg. Aus Angst, unter die Hufe des Wallachs zu geraten, machte er jedoch mitten auf der Straße kehrt - und lief zwei Soldaten in die Arme, die ihn offenbar verfolgten. Der Wallach bockte, bei jedem Sprung schrie José auf vor Schmerz, er konnte sich kaum noch im Sattel halten. Während er versuchte, sein Pferd zu zügeln, sah er aus den Augenwinkeln, wie die Soldaten am Straßenrand den Mann zu Boden prügelten. Er trug einen gelben Hut. Also doch!
    Als sein Wallach sich endlich beruhigt hatte, tastete José nach seinen Rippen. Es schien alles in Ordnung zu sein. Die Soldaten fesselten den Juden und verschwanden mit ihm in einer Seitengasse. José trabte wieder an. Die Straße führte zur Hafenmole, wo über ein Dutzend Schiffe angelegt hatten. Rund um den Platz, in dessen Mitte sich ein Triumphbogen erhob, waren Dutzende von Häusern zerstört, Speichergebäude und Handelskontore. Unter dem Triumphbogen parierte José sein Pferd. Der Wallach blähte schnaubend die Nüstern und wehrte sich gegen den Zügel. Brandgeruch lag in der Luft. José drehte sich im Sattel um. Über dem Glockenturm einer Kirche kräuselte sich eine Rauchfahne. Sollte er lieber kehrtmachen? Nein, wenn er sich je wieder in Konstantinopel blicken lassen wollte, brauchte er irgendeinen Erfolg. Reyna zuliebe.
    »Kennst du das Kontor der Firma Mendes?«, fragte er eine Dienstmagd, die mit einem Einkaufskorb am Arm an ihm vorüberkam.
    »Da«, zeigte das Mädchen auf die andere Seite des Platzes, »das große Gebäude, gleich neben der Präfektur.« Das Haus stand zum Glück noch - nicht mal die Fensterscheiben waren beschädigt. Erleichtert stieg José aus dem Sattel und band sein Pferd an einer Tränke fest. Krumm vor Schmerzen über querte er den Platz und humpelte die Treppe hinauf, die zum Kontor der Firma Mendes führte. Die Tür war nur angelehnt. »Hallo! Ist hier jemand?«
    In der Eingangshalle sah es aus wie nach einem Einbruch. Tische und Stühle waren umgeworfen, Truhen und Schränke aufgebrochen, und der Inhalt mehrerer Schubladen war auf dem Boden verstreut, zusammen mit zerfledderten Handelsbüchern und Frachtpapieren.
    José wollte gerade die Treppe hinaufgehen, um in den oberen Räumen nachzuschauen, da stockte ihm der Atem. Unter der Treppe lag ein Mann, das Gesicht in einem Kissen vergraben. José beugte sich über ihn und rüttelte an seiner Schulter. Der Mann rührte sich nicht. Als er ihn mit beiden Händen links und rechts am Wams packte, reichten seine Kräfte kaum aus, um den schweren Leib herumzuwuchten. Leblos rollte der Kopf auf die Seite.
    »Gütiger Himmel ...«
    José erkannte das pockennarbige Gesicht sofort: Duarte Gomes ... An seinem Kinn klebte verkrustetes Blut, in der Brust stak ein

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