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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ist der beste Beweis.«
    »Was bist du nur für ein Mensch?«, fragte Reyna mit tonloser Stimme.
    »Meinst du, das hätte ich freiwillig getan?«, erwiderte ihre Mutter. »José hätte an meiner Stelle genauso gehandelt wie ich, die Blockade war doch seine Idee! Mir blieb nichts anderes übrig. Oder sollte ich Tiberias opfern? Nur damit du deinen Willen bekommst und den Mann heiraten kannst, den du dir in den Kopf gesetzt hast?«
    »Ja, Tiberias«, wiederholte Reyna. »Hauptsache Tiberias! Immer wieder dein verfluchtes Tiberias!« »Halt sofort deinen Mund!«, rief Gracia. »Oder ...« »Oder was?«, fragte Reyna mit fester Stimme. »Fast könnte man glauben, du willst gar nicht, dass José noch lebt. Er ist dir nur im Weg bei deinem Tiberias. Ja, gib es doch zu! Insgeheim hoffst du, dass er tot ist. Wenn er tot ist, werden sie dir eine Krone aufsetzen. Dann bist du endgültig ihre Königin! Eine Märtyrerin, die ihren Neffen geopfert hat! So wie du deinen Geliebten geopfert hast! Für das Gelobte Land!«
    Gracia hob ein zweites Mal die Hand und holte aus. Doch dann, mitten in der Bewegung, ließ sie ihre Hand wieder sinken. »Du weißt in deiner kindischen Verliebtheit ja gar nicht mehr, was du redest«, sagte sie und nahm erneut ihre Wanderung durch die Halle auf. »José kann nichts passieren. Er ist ein Untertan des Sultans. Wenn sie ihn wirklich umbringen wollten, hätten sie das schon längst getan.« Sie warf Reyna einen verächtlichen Blick zu. »Bist du wirklich zu dumm, um das zu begreifen? Es gibt Dinge, die wichtiger sind als dein bisschen Glück. Wenn ich jetzt die Blockade aufhebe, werde ich es nie wieder schaffen, unsere Leute zu einen. Das weiß nicht nur Aragon, das weiß auch der Papst, darauf spekulieren sie doch nur mit ihrem Angebot. Und was Dom Diogo betrifft... Herrje, meine Hände kleben, als hätte ich Pech angefasst!«
    Sie trat an die Truhe mit der Waschschüssel und goss sich Wasser über die Hände. Dann nahm sie eine Bürste und fing an, ihre Finger zu reinigen. Fassungslos sah Reyna ihr zu. Hatte ihre Mutter den Verstand verloren? Gracia bearbeitete ihre Hände mit einer Gründlichkeit, als hätte sie alles andere vergessen: José, den Brief, ihren Streit, Dom Diogo, Brianda - als gäbe es auf der Welt nur noch diese zwei Hände, die sie waschen musste, diese zwei Hände und sonst gar nichts.
    Reyna hielt es nicht länger aus. »Ich frage dich zum letzten Mal«, sagte sie und trat vor ihre Mutter. »Wirst du José helfen? Ja oder nein?«
    Gracia schaute sie gar nicht an. Den Kopf über die Waschschüssel gebeugt, fuhr sie fort, wie eine Irre die Hände zu scheuern und zu bürsten, als wollte sie sie häuten.
    »Hab keine Angst«, sagte sie. »Niemand wird es wagen, José ein Haar zu krümmen. Wir müssen nur die Nerven behalten, wir sind fast am Ziel. Glaub mir, José
kann
gar nichts passieren - außer, wir machen jetzt einen Fehler. Nur wenn wir nachgeben und ihr Angebot annehmen, ist er in Gefahr. Dann haben wir nichts mehr in der Hand, womit wir Druck auf sie ausüben können. Und wenn wir Tiberias erst haben und José wieder da ist, dann dürft ihr von mir aus heiraten, ich halte Omar und den Sultan irgendwie hin. Du musst nur ein bisschen Vertrauen haben, Vertrauen und Geduld, dann ...«
    »Zum letzten Mal, Mutter!«, fiel Reyna ihr ins Wort. »Ja oder nein?«
    Sie hatte so scharf gesprochen, dass Gracia ihre Hände endlich in Ruhe ließ und von der Schüssel aufsah. Gott sei Dank, sie hatte noch Ohren und konnte hören! Doch als Reyna ihr Gesicht sah, lief es ihr kalt den Rücken herunter. Ihre Mutter starrte an ihr vorbei, als stünde ein Gespenst im Raum.
    »Entschuldigt die Störung, Dona Gracia«, sagte eine Männerstimme. »Ich habe mehrmals geklopft. Aber als niemand aufmachte, war ich so frei. Das Tor war nur angelehnt.« Reyna drehte sich um. Im Eingang stand Dom Felipe, der Kapitän der Esmeralda, den Dreispitz unter dem Arm. »Wie ich mich freue, Euch zu sehen«, rief Gracia, plötzlich wie verwandelt. Der gequälte Ausdruck ihres Gesichts war verschwunden, und während sie sich die Hände an ihrem Kleid abtrocknete, schenkte sie dem Kapitän ihr strahlendstes Lächeln.
    »Ich hatte Euch frühestens in zwei Tagen erwartet. Offenbar hattet Ihr eine gute Fahrt?«
    »Ja«, sagte Dom Felipe. »Wir hatten die ganze Zeit ordentlichen Wind von achtern, und es gab nirgendwo Piraten. Aber ...« Er drehte den Hut in der Hand und senkte den Blick. »Ich ... ich habe schlechte

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