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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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auf der Welt, dem er sein Leben lieber anvertraut hätte als diesem Juden im Jesuitenhabit. Fernando Moro hatte ihm versprochen, ihn zu Reyna zu bringen, und hatte ihn an den brennenden Barrikaden vorbei in sein Kloster geführt, um von dort aus auf unterirdischem Weg die letzte Etappe in Angriff zu nehmen, durch einen Stollen, den die Jesuiten zu ihrer eigenen Sicherheit gebaut hatten. War dies der Tunnel, von dem José während seiner Gefangenschaft gehört hatte? Die Jesuiten, die ständig im Streit mit den papsthörigen Dominikanern lagen, brauchten für den Fall, dass ihr Orden in Bedrängnis geriete, einen Fluchtweg, um aus der Stadt zu gelangen. Der Prior hatte Fernando Moro mit unverhohlener Genugtuung den Schlüssel zur Benutzung des Stollens gegeben, auf dass Gottes Wille geschehe. Im Gegensatz zu den Dominikanern waren die Jesuiten der Überzeugung, dass die Marranen, denen man das Sakrament der Taufe gegen ihren Willen aufgezwungen hatte, nicht als Christen gelten konnten - und somit ihre Verurteilung wegen Ketzerei vor Gott dem höchsten Richter null und nichtig war.
    »Gleich haben wir's geschafft!«
    Der Stollen mündete in eine Gewölbetreppe, und nach wenigen Stufen gelangten sie an eine eiserne Tür. Fernando Moro steckte den Schlüssel ins Schloss. Dann blies er sein Windlicht aus. Knarrend öffnete sich die Tür. Der Ausgang wurde von einem Gebüsch verdeckt, doch durch die Blätter und Zweige sah José die Sichel des Mondes. Vorsichtig trat er ins Freie. Vom Meer wehte ein kühler Nachtwind herbei. »Vorwärts! Wir müssen uns beeilen!«
    José heftete sich an die Fersen seines Führers, der einem Trampelpfad durch das Dickicht folgte. Von der Stadt her war immer noch vereinzelter Schlachtenlärm zu hören, und hier und da glühten vom Widerschein der Flammen rote Flecken am Himmel auf. Fernando Moro hatte José erklärt, was für einem Aufstand er seine Befreiung verdankte. Die christlichen Kaufleute hatten sich mit ihren jüdischen Konkurrenten verbündet, um dem Treiben der Inquisition ein Ende zu machen. Das Morden schadete dem Ansehen der Stadt so sehr, dass immer mehr Firmen den Hafen von Ancona mieden. Sogar das Schiff, das auf offener See vor Anker lag, um José nach Konstantinopel zurückzubringen, hatte ein christlicher Kaufmann bereitgestellt, genauso wie das Ruderboot, mit dem er an Bord des Seglers gelangen sollte und das in einer Bucht auf ihn wartete. »Da ist es! Aber Vorsicht! Immer im Schatten bleiben!« José kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Tatsächlich! Am Strand, nur einen Steinwurf entfernt, lag ein Ruderboot, um das herum sich vier oder fünf vermummte Gestalten duckten.
    Ein Ast, auf den er trat, brach mit lautem Knacken, und eine der Gestalten drehte sich um.
    »Jose!«
    Als er die Stimme hörte, war alle Vorsicht vergessen. Ohne sich um die Deckung zu kümmern, stieß er Fernando Moro beiseite und lief zum Strand,. »Reyna!«
    Im nächsten Moment hielt er seine Verlobte im Arm. »Dem Himmel sei Dank!«
    Im Mondlicht sah er ihr Gesicht. Und ihre Liebe.
    »Du lebst, mein Geliebter, du lebst!«, flüsterte sie. »Du lebst, du lebst, du lebst!«
    Immer wieder sagte sie die zwei Worte, als müsste sie sich überzeugen, dass sie nicht träumte. Während er ihre Küsse erwiderte, schmeckte er das Salz ihrer Tränen auf seinen Lippen, spürte er ihren Atem auf seiner Haut.
    »Los! Ins Boot!«, rief Fernando Moro. »Sie kommen!« Lautes Hufgetrappel ertönte. Gleich darauf erblickte José sie -Soldaten der päpstlichen Truppen. Vier Reiter von links, vier Reiter von rechts, galoppierten sie auf sie zu, um sie in die Zange zu nehmen.
    »Hierher!«, rief jemand. »Beeilt euch!«
    José fuhr herum. Unter einer Kapuze erkannte er das Gesicht von Amatus Lusitanus. »Vorwärts! Vorwärts!«
    Der Arzt stand bis zu den Knien im Wasser und winkte mit beiden Armen. Das Boot schaukelte schon in der Brandung. Zwei Ruderer saßen an den Riemen und warteten mit hochgestellten Ruderblättern, dass sie endlich kämen. José nahm Reynas Hand und zog sie mit sich. »Los! So schnell du kannst!«
    Sie hatten den Strand noch nicht erreicht, da krachte ein Schuss. Reyna strauchelte und sank zu Boden.
    »Nein!« José warf sich über sie, um sie mit seinem Körper zu schützen. »Reyna! Mein Täubchen! Mein Engel!« »Es ... es ist nichts«, stammelte sie. »Ich bin nur gestolpert!« Während sie sich wieder aufrichtete, wurden ihre Augen weit vor Angst. »Da! Sieh nur!«
    José blickte

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