Die Gottessucherin
des Herrn vollenden sollte. Cornelius Scheppering war sein Name. Links und rechts flankiert von Brüdern der dominikanischen Ordensgemeinschaft, thronte er als greise Majestät auf dem Podium, und während seine Arme auf den gepolsterten Lehnen des Richterstuhls ruhten, ließ er seine altersschwachen Augen über den von Menschen schwarzen Platz schweifen. Wie viele Jahre hatte er dafür gekämpft, diesen Tag zu erleben, wie viele Mühen und Leiden hatte er auf sich genommen, um dieses Fest zu feiern. Doch nun war es vollbracht. Obwohl er selbst nur noch ein stinkender Haufen fleischlicher Verwesung war, hatte er dem dreifaltigen Gott und der heiligen katholischen Kirche zum Sieg über Unglauben, Frevel und Ketzertum verholfen und jenen Eid erfüllt, den er der Jungfrau und Gottesmutter vor Jahren geschworen hatte.
»Wir wollen beginnen«, sagte er zu dem Novizen an seiner Seite. »Der Angeklagte soll erscheinen.«
Zwei Henker mit Kapuzen über den Köpfen holten José Nasi von dem Schinderkarren und führten ihn vor das Podium, wo der Jubel des Volkes ihn empfing. Cornelius Scheppering fixierte ihn mit seinem Blick. Der einst so freche Jude war an Händen und Füßen gefesselt, und das Büßerhemd mit dem Kreuz des Heilands bedeckte seinen Leib, während hinter ihm bereits der Scheiterhaufen brannte. Doch war dieser Mann wirklich besiegt und gebrochen? Die Narben in seinem Gesicht zeugten von dem Versuch, der Inquisition zu entfliehen, und schwach und bleich wie er war, konnte er sich nur schwankend auf den Beinen halten. Im Kampf gegen die Soldaten des Papstes hatte er so viel Blut verloren, dass der Tod dem Glaubensgericht beinahe zuvorgekommen wäre, und es hatte größter ärztlicher Kunst bedurft, um den Sünder wieder so weit herzustellen, dass er imstande war, die Strafe zu empfangen. Umso größer war nun der Triumph. Ja, der Wurm war im Staube zertreten! Die Jungfrau und Allerbarmerein, die Königin der Heiligen und Trösterin der Betrübten, die unbefleckte Mutter und geheimnisvolle Rose hatte Cornelius Scheppering erhört! So tief seine welken Lungen es vermochten, sog er den Duft des Feuers ein, den Duft der himmlischen Gerechtigkeit. Nein, er hatte nicht umsonst gelebt, nicht umsonst die Nachfolge Christi angetreten, nicht umsonst das Kreuz auf sich genommen und sein Dasein in die Knechtschaft Gottes gestellt. Dieser Triumph war aller Leiden und Mühen wert, die er erduldet und erlitten hatte, viel hundert- und tausendfach.
»Löst ihm die Fesseln!«
Während die Henker José Nasi losbanden, stemmte Cornelius Scheppering sich auf die Armlehnen seines Stuhles, und nur mit Mühe konnte er den Schmerzensseufzer unterdrücken, der seiner Brust bei der geringen Bewegung entwich. Noch in derselben Nacht, da sein Delinquent verhaftet und dingfest gemacht wurde, war auch er zusammengebrochen, so vollkommen und vollständig, dass er viele Wochen sich nicht von seinem Krankenlager hatte erheben können, und während sein Leib wie ein verendendes Tier sich gewunden und um jeden Atemzug mit dem Tod gerungen hatte, war sein Geist in finsterste Nacht gesunken. So groß war seine Verwirrung gewesen, dass sein Körper ihm fast völlig den Dienst verweigert hatte. Kaum war er noch imstande gewesen, die lieben Worte des Ave-Maria mit seinem Mund zu formen. Nur lallend und brabbelnd wie ein Kind hatte er den Preisgesang auf die Gottesgebärerin über die Lippen gebracht. Doch selbst in dieser Zeit der finstersten Finsternis war sein Glaube ungebeugt geblieben. Die Gefangennahme José Nasis war seine Arznei gewesen. Er hatte Gracia Mendes jenen Vasallen entwunden, ohne den ihr Reich nunmehr zum Untergang verdammt war wie einst die Hure Babylon. Dieser Sieg hatte Cornelius Scheppering die Kraft gegeben, sich ein letztes Mal zu erheben, um den Prozess gegen die Buhle des Teufels zu Ende zu führen und ihrer Brut den Garaus zu machen, ein für alle Mal ... Diesen letzten Dienst auf Erden war er seinem Herrgott noch schuldig - sobald er diesen Dienst vollbracht hatte, durfte er getrost sterben.
»Wir sind nun so weit«, flüsterte Sylvester ihm ins Ohr. »Wenn Ihr das Urteil verlesen wollt?«
Voller Genugtuung ergriff Cornelius Scheppering das Pergament, auf dem Gottes Urteil von seiner Hand geschrieben stand. Nach dem Aufstand in der Stadt, der von den päpstlichen Garden schließlich auf seinen Befehl niedergeschlagen wurde, hatte niemand mehr gewagt, sich seinem Willen zu widersetzen. Souverän ist, wer über den
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