Die Gottessucherin
erst im dritten Anlauf gelang es ihr, den Satz zu vollenden. »Ich musste meinem Glauben abschwören, im Namen des dreifaltigen Gottes.« Francisco fiel ein Stein vom Herzen - so groß war seine Erleichterung. Er musste tief durchatmen, um wieder Ordnung in seine Gefühle zu bringen.
»Das - war alles?«, fragte er unsicher. »Sonst nichts?« Sie zögerte, wollte etwas sagen. Doch dann senkte sie den Blick. »Nein. Das war alles«, flüsterte sie. Und bevor er etwas erwidern konnte, hob sie den Kopf und sagte: »Bitte, Francisco! Wir müssen Lissabon verlassen. Wir können hier nicht mehr glücklich sein, niemals!«
»Wie stellst du dir das vor? Ich habe hier fast mein ganzes Leben verbracht. Lissabon ist meine Heimat, seit sie mich aus Spanien vertrieben haben.«
»Was ist das für eine Heimat, wo sie einem solche Dinge antun? Dich haben sie gefoltert, und mich haben sie gezwungen, unseren Gott zu verleugnen!«
»Du hast damit keine Sünde begangen. Die Entbindung von den Gelübden ...«
»Was muss denn noch alles geschehen, damit du endlich begreifst?«, rief sie. »Wenn wir bleiben, verletzen wir das Gesetz! Juden dürfen nur in der Glaubensfremde leben, wenn sie dadurch anderen Juden helfen können. Das hast du mir selbst gesagt, erinnerst du dich nicht?« »Ja, sicher, das habe ich ...«
»Das aber können wir jetzt nicht mehr! Sie wissen alles über uns!«
»Gracia, bitte! Nimm Vernunft an! Ich bin zu alt, um noch mal von vorn anzufangen. Außerdem - eine Hoffnung haben wir noch. Diogo ist in Rom, um mit dem Papst zu verhandeln. Vielleicht kann er die Inquisition verhindern!« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Vielleicht hast du recht, vielleicht ist es egal, was aus uns wird. Unser Schicksal ist ja längst entschieden. Aber denk an unsere Tochter.« Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und schaute ihn an. »Soll Reyna wirklich dasselbe Leben führen wie wir? Ein Leben in ständiger Lüge und Angst?«
31
»Der Herr sei mit dir.« »Und mit deinem Geiste.«
Die beiden Dominikaner tauschten den Bruderkuss. »Ich bin sehr erfreut, Euch wieder in Rom zu sehen, Bruder Cornelius. Schon seit Wochen blicke ich Eurem Besuch mit großer Erwartung entgegen.«
»Ich habe das erste Schiff genommen, das von Lissabon nach Italien fuhr.«
»Umso mehr bedauere ich, dass ich Euch nicht gleich empfangen konnte. Ihr habt vielleicht davon gehört - das Attentat auf Diogo Mendes, den Unterhändler der Marranen am Heiligen Stuhl.« »Man hat versucht, Diogo Mendes umzubringen?« »Allerdings«, bestätigte der Ordensmeister. »Er war auf dem Weg zum Papstpalast, die Taschen voller Geld. Immerhin, der Vorfall hat uns mehr genutzt als geschadet.« »Weiß man, wer ihm nach dem Leben trachtete?« »Gott wird es wissen«, erwiderte Carafa mit feinem Lächeln. »Aber halten wir uns nicht länger mit diesem Juden auf. Wie war Eure Reise? Ihr wirkt erschöpft. Seid Ihr in stürmische See geraten?«
Cornelius Scheppering senkte sein Haupt. Die Scham hatte so vollständig von ihm Besitz ergriffen, dass er sich erst nach Wochen hatte überwinden können, die Reise anzutreten. Und dann, nach seiner Ankunft, als er sich endlich offenbaren wollte, hatten seine Ordensbrüder ihn zwei Tage lang vertröstet. Zwei unendlich lange Tage der Qualen und Selbstzweifel, in denen Cornelius Scheppering versuchte, die Dämonen aus seiner Seele zu verjagen, um dort das Antlitz der Muttergottes wiederzufinden. Er hatte im Petersdom am Grab des Apostels gebetet und in der Lateranbasilika vor dem Papstaltar, in Santa Maria Maggiore an der Krippe Jesu, in Santa Croce in Gerusalemme unter dem Kreuz Christi und in San Paolo fiori le Mura am Grab des heiligen Paulus. Auf Knien und mit reuigem Herzen hatte er die Santa Scala bestiegen, die Heilige Treppe, die einst Jesus hinaufgestiegen war, um vor Pontius Pilatus hinzutreten. Er hatte sogar die Trepanation vornehmen lassen, die Aufbohrung der Fontanelle, ein Mittel, das nur die mutigsten Glaubensknechte in Anwendung brachten, damit durch die Öffnung der Schädeldecke die Dämonen entweichen könnten, wenn die fauligen Dämpfe der Sünde die Seele bedrohten. Aber vergeblich. Die Dämonen waren geblieben, und die Jungfrau Maria war ihm kein einziges Mal mehr erschienen. »Die See war stürmisch, gewiss«, seufzte er, »aber es gab härtere Prüfungen, die der Herr mir auferlegte.«
»Ihr habt recht - genug der Plauderei!« Carafa hob die Brauen. »Was könnt Ihr mir berichten? Habt Ihr
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