Die Gottessucherin
sicher wie in Abrahams Schoß.« »Glaubst du das wirklich? Vergiss nicht, der Kaiser hat dafür gesorgt, dass es in Portugal die Inquisition gibt, und er lebt keine dreißig Meilen von hier.«
»Was habe ich mit dem Kaiser zu tun?«, fragte Brianda. Gracia trat auf sie zu und zupfte am Ausschnitt ihres Samtkleids, das wie ein Mieder gerafft war, so dass ihre Brüste daraus wie zwei Äpfelchen hervorschauten.
»Du bist eine wunderschöne junge Frau«, sagte sie. »Wenn du Dom Diogo nicht nimmst, wird der Kaiser oder seine Schwester dich irgendwann zwingen, einen Flamen zu heiraten, um an unser Geld zu kommen. Ist es das, was du willst?« »Die Thora schreibt vor, dass die Witwe den Bruder ihres verstorbenen Mannes heiraten soll. Warum hältst du dich nicht daran ?« »Seit wann kümmerst du dich um die Thora? Dir ist doch ganz egal, ob du Jüdin oder Christin oder Muselmanin bist!« »Tu nicht so scheinheilig! Du willst ja nur, dass alles nach deiner Pfeife tanzt!«
»Wie kannst du so etwas behaupten? Ich versuche nur, das Richtige zu tun! Für uns alle!«
»Wirklich? Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir in Lissabon geblieben. Von mir aus hätte ich als Christin gelebt - mein Leben ist mir wichtiger als jede Synagoge. Aber du hast uns wie Schafe hierher getrieben, nur weil du zu Hause nicht in Ruhe das Schma beten konntest, und jetzt kommandierst du uns hier auch noch herum. José hast du nach Löwen geschickt, damit er studiert, obwohl er lieber Soldat werden wollte, Tristan zwingst du, in Lyon zu bleiben, und ich soll einen Mann heiraten, den du selbst nicht heiraten willst. Was bildest du dir ein? Haben wir anderen weniger Rechte als du? Nur weil wir nicht immerzu vom Gelobten Land träumen?« »Das habe ich nie gesagt ...«
»Und ich habe dir damals aus der Patsche geholfen, als du Rabbi Soncino und die Gemeindefrauen belogen hast.« Brianda machte eine kurze Pause; eine kleine, böse Frage war ihr in den Sinn gekommen. »Übrigens - was ist eigentlich in eurer Hochzeitsnacht passiert? Du hast es mir nie erzählt.« »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Und ob du das weißt! Hast du dich Francisco wirklich verweigert? Oder hast du mit ihm geschlafen, obwohl du eine Nidda warst?«
»Was zum Teufel geht dich das an?«
Gracia war so wütend, dass Brianda einen Moment lang glaubte, sie würde ihr eine Ohrfeige verpassen.
»Ich ... ich will dir sagen, warum ich Dom Diogo nicht heiraten kann«, sagte Gracia mit mühsam beherrschter Stimme. »Ich kann mit keinem anderen Mann mehr zusammen sein, nie mehr, und am wenigsten mit Dom Diogo. Es wäre Verrat. Verrat an Francisco. Ich habe ihn zu sehr geliebt. Und ich liebe ihn immer noch.« Tränen schimmerten in ihren Augen, und aus ihrem Gesicht sprach ein solcher Schmerz, dass Brianda sich plötzlich schämte. »Dann geht es also doch um Liebe?«, fragte sie leise. »Ja natürlich! Worum denn sonst?« Gracia wandte sich ab und kehrte zum Fenster zurück.
»Bitte verzeih mir«, sagte Brianda und berührte sie an der Schulter. »Ich wollte dir nicht weh tun. Aber - warum glaubst du, es wäre Verrat? Francisco hat es doch selbst so gewollt. Es steht ja in seinem Testament, dass du Dom Diogo heiraten sollst. Es ist sein eigener Wunsch.«
Sie berührte ihre Schwester noch einmal, doch Gracia reagierte nicht. Sie kehrte ihr weiter den Rücken zu und schaute hinaus auf den Marktplatz. Der Himmel hatte sich bewölkt. Eilig liefen die Menschen hin und her, jeder schien noch etwas besorgen zu wollen, bevor der Regen kam. Der Spaßmacher und die Trommler hatten sich schon verzogen.
»Manchmal frage ich mich«, sagte Gracia, »ob wir jemals wissen können, was wir eigentlich wollen - ich meine, wenn es wirklich darauf ankommt.«
»Was meinst du damit?«
»Ach, das kannst du nicht verstehen ... Du bist ja nicht dabei gewesen, als Francisco verlangte, dass ich ...« Sie verstummte mitten im Satz, und für eine Weile war nur das Klappern aus der Küche zu hören, wo die Köchin das Mittagessen vorbereitete.
Brianda konnte das Schweigen nicht ertragen. Egal, was Gracia gerade dachte - es ging um ihre Zukunft, um ihr Leben, um ihr Glück. »Ich weiß jedenfalls, was ich will«, sagte sie. Gracia drehte sich um und sah ihr fest in die Augen. »Das heißt, du willst auf Tristan da Costa warten?«
Brianda nickte. »Er ist der Mann, den ich liebe. Das weiß ich, seit ich zum ersten Mal mit ihm getanzt habe, auf deiner Hochzeit.« Gracia holte tief Luft. »Nun gut«,
Weitere Kostenlose Bücher