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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Einkünfte sämtlicher Ärzte in ganz Flandern um ein Vielfaches überstieg. »Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr mich meint?«, fragte Amatus. »Ohne jeden Zweifel«, erwiderte der Orientale mit einer Verbeugung. »Ihr seid in meiner Heimat ein berühmter Mann. Mit Hilfe Eurer Bücher werden unsere Ärzte ausgebildet.« Amatus Lusitanus musste schlucken. Noch nie war einem Europäer eine solche Ehre zuteilgeworden, und sein Verstand riet ihm, dem Ruf des Sultans zu folgen und das Abenteuer zu wagen. Die Kunst der arabischen Ärzte stand in höchstem Ansehen, der Perser Avicenna hatte eines der wichtigsten Bücher verfasst, die in der Geschichte der Heilkunde je geschrieben worden waren. Auch war Amatus begierig, mit eigenen Augen jene märchenhafte Welt kennenzulernen, von denen die Kaufleute und Seefahrer so unglaubliche Geschichten erzählten, von verschleierten Frauen hinter vergitterten Fenstern, von Moscheen und Palästen, deren Pracht jedes Vorstellungsvermögen überstieg. Und die Bezahlung, die der Sultan ihm versprach, würde ihm erlauben, am Bosporus das Leben eines Fürsten zu führen. Das alles sagte ihm sein Verstand. Aber sein Herz? Der Gesandte des Sultans erkannte seine Ratlosigkeit. »Lasst Euch nur Zeit«, sagte er mit einem Lächeln. »Ihr braucht Euch nicht jetzt zu entscheiden.«
     

11
     
    Wie ein Flächenbrand wütete die Inquisition in Portugal, geschürt vom Hass der Dominikaner und von der Geldgier des Königs. Ohne Gnade und Erbarmen verfolgte das Glaubensgericht jede Form der Juderei, die zur Anzeige kam. Alles, was den Juden seit Menschengedenken heilig war, galt in Dom Jonos Reich nunmehr als Verbrechen, und wer immer am Sabbat die Arbeit ruhen ließ oder auch nur zum Gebet sein Haupt bedeckte, war seines Lebens nicht mehr sicher. In allen Städten und Provinzen des Landes loderten die Scheiterhaufen in den Himmel und verbreiteten den süßen Duft verbrannter Leichen, zum Ruhme des dreifaltigen Gottes, vor allem aber zum Schrecken der Marranen. Immer größer wurden die Scharen der Flüchtlinge, die aus Angst um ihr Leben die Heimat verließen und in der Fremde Zuflucht suchten. Mit den Schiffen der Firma Mendes wurden sie von Portugal an die Küste der Niederlande gebracht, wo Samuel Usque die aus der Heimat Vertriebenen an Land geleitete. Manche fanden in Antwerpen Unterschlupf, andere zogen weiter auf ihrem Leidensweg in Richtung Osten, nach Venedig oder Konstantinopel, um dem Hass der katholischen Glaubenseiferer zu entkommen, die im Namen des Herrn das ganze Volk Israel auslöschen wollten.
    »Ich habe Angst um unseren Vater«, sagte Gracia. »Seit Wochen haben wir keine Nachricht. Samuel Usque kam ohne Brief von ihm zurück.«
    Obwohl sie seit der Hochzeit ihrer Schwester zusammen mit Reyna in einem eigenen Haus am Groenplaats lebte, kam Gracia jeden Morgen in das Stadtkontor der Firma in Diogos Haus am Marktplatz, um sich mit ihrem Schwager um die Geschäfte zu kümmern.
    »Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen«, erwiderte der und schaute von seinem Stehpult auf, wo er gerade das Hauptbuch prüfte. »Samuel Usque war auf seiner letzten Reise nicht in Lissabon, sondern in Coimbra. Angeblich hat er eine Spur von seinem Bruder gefunden. Außerdem hat sich mein Freund Aragon für die Sicherheit Eures Vaters verbürgt.«
    »Euer Freund Aragon ist mir zuwider. Ich traue ihm nicht über den Weg.«
    »Warum nicht? Man muss den Herrn auch für das Böse preisen.« Diogo lachte. »Ich jedenfalls habe blindes Vertrauen zu Aragon. Seine Zuverlässigkeit wird nur durch seine Bestechlichkeit übertroffen.«
    »Der Kerl mischt sich immer mehr in unsere Angelegenheiten. Er hat Reyna versprochen, sie dem Kaiser vorzustellen. Sie ist seitdem wie besessen von dem Gedanken. Sie redet von nichts anderem mehr. Wie kommt er dazu, ihr solche Dinge in den Kopf zu setzen?«
    »Mein Freund tut nur, was man ihm sagt. Ich habe ihn selbst dazu aufgefordert.« »Seid Ihr von Sinnen?«
    »Im Gegenteil. Wenn es ihm gelingt, Reyna an den Hof zu bringen, gebe ich ihm hundert Dukaten Belohnung. Etwas Besseres können wir uns doch gar nicht wünschen.« »Habt Ihr vergessen, was Euer vermeintlicher Freund getan hat? Er hat Francisco gefoltert, Euren Bruder! Hunderte Juden sind seinetwegen gestorben! Und so einem Menschen vertraut Ihr?« Diogo zuckte die Achseln. »Ich weiß, es gibt größere Zwerge als ihn. Aber er hat eine wunderbare Eigenschaft - er ist eitel wie ein Pfau.«
    »Was ist daran

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