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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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beten wir jedes Jahr zu Jörn Kippur um die Entbindung von den Gelübden. Fragt nur Eure Schwester! Sie würde ein Kreuz genauso gern tragen wie einen Davidstern. Hauptsache, es ist hübsch und hängt an einer goldenen Kette.«
    »Das sagt Ihr nur, um mich zu ärgern. Ihr seid Jude wie ich! Euch wird doch schon beim Geruch von Schweinefleisch übel.« »Aber im Gegensatz zu Euch stamme ich nicht aus dem Hause David. Also würge ich meinen Brechreiz hinunter. Lieber esse ich Schweinswürste hier in Antwerpen als Hammelhoden am Bosporus. Die sind auch nicht koscher - zumindest nicht nach meinem Geschmack.«
    Gracia bereute, dass sie das Thema überhaupt angesprochen hatte. Es ging um eine der wichtigsten Entscheidungen, die Diogo und sie für die Familie und die Firma Mendes treffen mussten, und sie war einfach mit ihrem Vorschlag herausgeplatzt, ohne jede Vorbereitung. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Jetzt musste sie beweisen, wie ernst es ihr war.
    »Ich weiß, warum Ihr bleiben wollt«, sagte sie. »Weil Ihr hier lebt wie ein König. Aber ich warne Euch. Die Hälfte des Vermögens gehört mir, und nichts kann mich hindern, damit nach Konstantinopel aufzubrechen.«
    Diogo wurde blass, und der Hochmut verschwand aus seiner Miene, um ernsthafter Sorge zu weichen. Gracia registrierte es mit Genugtuung.
    »Wollt Ihr die Firma ruinieren?«, fragte er. »Geld ist Macht. Wenn wir unser Vermögen teilen, stärken wir nur unsere Feinde.« Noch während er sprach, fasste er sich schon wieder, sogar sein überhebliches Lächeln kehrte zurück. »Und was meine Beweggründe betrifft: Mag sein, dass Ihr recht habt und ich bleiben will, weil ich hier lebe wie ein König. Aber was ist mit Euch?«, fragte er. »Warum wollt Ihr fort? Nur um Eures Seelenheils willen? Oder nicht auch, damit die anderen Euch wie einer Königin folgen?«
    Verärgert stampfte Gracia mit dem Fuß auf. »Wie könnt Ihr solchen Unsinn reden?«
    »Darum«, sagte Diogo und berührte wieder ihr Medaillon. »Als ich es kaufte, wusste ich nicht, was es darstellt. Ein Bildnis der Jungfrau Maria oder der Königin Esther? Es hat mir nur gut gefallen, ich fand, es passt irgendwie zu Euch. Aber ich glaube, jetzt weiß ich, was es ist ...« »Nämlich?«, fragte Gracia.
    »Das wisst Ihr so gut wie ich«, sagte er, immer noch mit seinem verfluchten Lächeln auf den Lippen.
    Er sah ihr unverwandt in die Augen, und wieder streifte seine Hand ihre Haut. Und obwohl sie so wütend war, dass ihr das Blut in den Adern klopfte, erwiderte sie seinen Blick. Sie war fest entschlossen, nicht auszuweichen, bis er sich abwandte oder die Augen niederschlug. Doch er hob nur ein wenig seine Braue. Auf einmal hatte sie das Gefühl, sie wäre nackt. »Was - was macht ihr da?«
    Als hätte man sie bei etwas Verbotenem überrascht, fuhren sie beide herum.
    In der Tür stand Brianda, das Gesicht rot vor Aufregung. »Wir haben nur über Dona Gracias Schmuck geplaudert«, sagte Diogo und ließ das Medaillon los. »Aber was hast du - ist etwas passiert?«
     

12
     
    Seit dem Tag seiner Hochzeit ließ Diogo seine Frau von den besten Malern Antwerpens porträtieren, und inzwischen waren so viele Bilder von Brianda entstanden, dass sie bereits ein ganzes Kabinett füllten. Ursprünglich wollte Diogo auf diese Weise nur zeigen, dass er die schönste Frau der Stadt besaß. Doch dann hatte er entdeckt, dass die Maler nicht nur Briandas Schönheit einfingen, sondern auch ihr Wesen. Ob sie sich freute oder ob sie traurig war, ob sie hoffte oder bangte: Jedes Gefühl war in den Porträts festgehalten, und dank ihrer Kunst konnte Diogo im Gesicht seiner Frau lesen wie in einem Buch. Das Gesicht, das er in diesem Augenblick sah, versprach allerdings nichts Gutes.
    »Samuel Usque wartet unten in der Halle«, sagte Brianda. »Oh!«, rief Gracia. »Ist die Esmeralda angekommen?« »Ja. Mit zweihundert Flüchtlingen.« »Zweihundert? Der Herr sei gelobt! Er hat sie geleitet.« »Meinst du?«, erwiderte ihre Schwester. »Dann weiß ich nicht, was der Herr sich dabei gedacht hat. Viele haben keine Verwandten hier und wissen nicht, wohin. Samuel fragt, was mit ihnen geschehen soll.«
    »Warum hat er sie nicht ins Judenhaus gebracht?«, fragte Diogo. »So hatten wir es ausgemacht.«
    »Er sagt, das geht nicht. Am Kipdorp wimmelt es von Soldaten.« »Verflucht! Ich habe Aragon ausdrücklich klargemacht, dass kein Soldat dort etwas zu suchen hat!« »Und Ihr habt Euch auf diesen Menschen verlassen?« Als

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