Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
heute, und das erinnerte ihn an die alten Tage als Axtherr, als er an der
Spitze der Axtschwinger geritten war. Axis hoffte, daß
das Schicksal ihn nie wieder zwingen würde, eine Armee
von dreißigtausend Mann anzuführen. Er wünschte, daß
Tencendor niemals wieder einer solchen Streitmacht bedürfen würde.
Ho’Demi nickte seinen Kämpfern zu, und wie ein
Mann wendeten achttausend Männer ihre struppigen gelben Pferde Richtung Norden. Etwa Zehntausend ihrer
Frauen und Kinder lagerten noch am Gralsee. Sie würden
bald ihre Zelte abbrechen und sich dann auf den beschwerlichen Weg zurück in die Heimat machen. Axis
hatte angeordnet, daß alle verfügbaren Schiffe auf dem
Nordra sie aufnehmen sollten. So würden die Familien
wenigstens am Anfang der Reise etwas rascher und bequemer vorankommen.
Der Krieger und die Zauberin warteten, bis die acharitischen Einheiten zu den Rabenbundern aufgeschlossen
hatten, und salutierten dann ein letztes Mal vor Belial
und Magariz. Aschure winkte auch zum Abschied, dann
wendeten sie ihre Pferde nach Norden, und die Alaunt
liefen los, um die Soldaten vor ihnen einzuholen.
Der Leutnant und der Fürst blieben stehen und schauten dem Zug hinterher, bis nichts mehr von ihm zu sehen
war. Dann begaben sie sich zu ihren Verbänden und befahlen den Aufbruch nach Süden.
Und schließlich war der Paß wieder so verlassen und
leer wie zuvor, abgesehen von ein paar Schneeflocken,
die vom Wind herangetrieben wurden, und den Zähnen
der Skrälinge. Hoch am Himmel kreisten die Einheiten
der Luftarmada, bis sie sich gesammelt hatten und in
geschlossener Formation die Alpen überflogen, um zum
Krallenturm weiterzufliegen.
Es schien, als ob eine Enttäuschung über einen solch
überraschend reibungslosen Ausgang des Feldzuges sich
bei allen Beteiligten breit mache. Hätte das Ende nicht
grandioser sein müssen?
Eine ganze Weile lang ritten sie durch das Gebirge des
Gorkenpasses, und die ganze Zeit über begegneten sie
keinem Lebewesen – höchstens ein paar Raben, die im
Andakilsa nach Fischen tauchten.
Von Timozel fehlte jede Spur.
»Er wird vermutlich auf schnellstem Wege zu Gorgrael gelaufen sein«, bemerkte Aschure eines Tages, als
sie feststellte, wie ihr Gemahl gedankenverloren über den
Griff von Jorges Schwert strich. »Wahrscheinlich quer
über die Berge zur Eisbärküste.«
»Hoffentlich fressen ihn die Eisbären nicht, bevor ich
ihn in die Finger bekomme«, murrte der Krieger, aber er
nahm die Hand von der Waffe. Aschure erkannte, daß
Axis eigentlich nicht damit gerechnet hatte, hier irgendwo auf einen umherirrenden Timozel zu stoßen.
Ho’Demi zeigte sich keinesfalls besorgt darüber, am
Ausläufer des Passes und im Süden seiner Heimat kein
Leben anzutreffen. »Niemand würde freiwillig hierherkommen«, erklärte er eines Abends am Lagerfeuer,
»denn in dieser Gegend wimmelte es von Skrälingen. Als
die Geister zuerst in dieses Land eindrangen, wandten sie
sich vom westlichen Rand der Eisdachalpen nach Westen
und Süden. Alle Rabenbunder, die nicht mit mir gekommen sind, werden sich wahrscheinlich in den hohen Norden zurückgezogen haben. In der Hoffnung, daß die
Kreaturen viel zu sehr damit beschäftigt seien, sich nach
Süden durchzufressen, um einen Abstecher in eine solch
abgelegene Region zu unternehmen.«
Aber mit jedem neuen Tag spürten die anderen, daß
der Häuptling zunehmend von Unrast erfaßt wurde. Noch
immer begegnete man weder Menschen noch Tieren, und
das erschien bald jedem sonderbar.
Sie brauchten eine Woche, um das Gebirge hinter sich
zu lassen und den Süden Rabenbunds zu durchziehen.
Kalte Winde fegten über das Land, und der Schnee hielt
sie auf, bedeckte das Land, durch das sie zogen.
»Seevögel bauen ihre Nester gern in den Klippen der
Eisdachalpen«, erklärte Sa’Kuja Aschure, als sie eines Tages neben ihr ritt. »Aber in diesem Jahr scheinen sie sich
anders besonnen zu haben. Vermutlich haben die Skrälinge
in den vergangenen vier Jahren zu oft die Felsen erklettert,
um an ihre Eier zu gelangen. Na ja, wenn die Götter es wollen, werden die Vögel wohl eines Tages zurückkehren.«
Selbst als sie endlich die Berge hinter sich gelassen
hatten, änderte sich die trostlose Landschaft nur wenig.
Riesige Ebenen breiteten sich nach Westen und Norden
aus. Weite Gebiete waren immer noch tief verschneit,
aber an einigen Stellen war es den Gräsern bereits gelungen, sich durch die weiße Decke
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