Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
Euch geführt? Hat die
Katzenfrau nicht Faraday während ihrer schwärzesten
Stunden beigestanden und Trost gespendet? Und haben
nicht alle fünf für Eure Befreiung wie auch die der Sternengötter gewirkt? Deswegen öffnet mir Euer Ohr, Mutter, und helft ihnen, ihre letzte Aufgabe zu erfüllen. Verlangt nicht ihr Blut, denn davon haben sie bereits
reichlich gegeben.«
Als die Mutter antwortete, konnte nur der Prophet ihre
Stimme vernehmen.
Blut, Wolfstern? Wie könnt ausgerechnet Ihr zu mir
von einem Blutopfer sprechen? Mußte nicht meine Tochter das größtmögliche aller Opfer …
Mutter, ich flehe Euch an, laßt nicht Euren gerechten
Zorn über meine Taten an den Wächtern aus. Sie haben
soviel für Euch und Faraday vollbracht wie für mich und
jeden anderen.
»Ich bitte Euch, helft ihnen«, sagte er noch einmal und
brach dann in ehrliche Tränen aus.
Sein Kummer erweichte der Mutter das Herz. Sie hatte
sich in ihrer Zuflucht am Grund des Farnbruchsees nicht
um den Lauf der Welt gekümmert und auch nicht darum,
daß Jack so viele Jahre über ihr Gewässer gewacht hatte.
Doch jetzt mußte die Naturgöttin feststellen, daß die Tränen des Propheten sie nicht unberührt ließen.
Wie so viele andere hatte auch sie stets geglaubt,
Schmerzen und Liebe scherten ihn nicht.
Im nächsten Moment entflammte das Gewässer in
strahlendem, smaragdgrünem Licht, das die Gesichter
derjenigen, welche am Ufer standen, überflutete. Der
Prophet drehte sich nun zu den Wächtern um, und die
Spuren der Tränen waren noch deutlich auf seinen Wangen zu erkennen. Die Gefährten bewegte sein Kummer
mindestens ebenso sehr wie das Licht der Mutter.
»Badet darin«, forderte Wolfstern sie auf. »Legt Euch
in das Lichtwasser, und die Mutter wird Euch halten,
lieben und Euch mit ihrer Macht stärken, damit Ihr die
Kraft und den Mut findet, Euren Weg fortzusetzen.
Kommt auch Ihr in den See, Zecherach, denn Euch obliegt die Last, Eure Gefährten während der nächsten Monate zu versorgen und mit Liebe und Ausdauer zu versehen.«
Und so stolperten die Wächter erschöpft und voller
Schmerzen in die Arme der Mutter.
3 D ER
T
OD UND DER E RBE
Sie marschierten durch eine Welt, die sich in einem Zustand der Genesung befand. Der Wolfmond neigte sich
dem Ende zu, und so herrschte im Lande noch die kalte
Jahreszeit. Aber bei ihr handelte es sich um normalen
Winter, denn Gorgraels eisige Umklammerung konnte
weite Teile Mitteltencendors nicht mehr halten.
Der Sternenmann und die Zauberin führten ihre Armee
an. Ihnen zur Seite ritten Belial, Magariz und Ho’Demi,
die höchsten Offiziere. Und alle Soldaten, die ihnen folgten, waren der festen Überzeugung, daß der Sieg nur
noch einen, höchstens zwei Monate entfernt liegen konnte.
Axis wandte sich an seinen Leutnant und den Fürsten
zu seiner Linken. »Seht Ihr, meine Freunde? Die Macht
des Zerstörers erlahmt! Bald schon wird der Großteil
dieses Landes von seinem Haß befreit sein.«
Magariz beugte sich vor. »Krieger, wann wenden wir
uns denn nach Norden, um den abtrünnigen Timozel und
sein Heer zur Schlacht zu zwingen?«
»Ihr könnt es wohl kaum erwarten, Euer versprochenes Land zurückzuerobern, Prinz von Ichtar? Nun, daraus
darf man einem braven Mann keinen Vorwurf machen.
Ich bin genauso begierig darauf, das Skrälingsgeschmeiß
aus Tencendor zu fegen wie Ihr … und mich endlich
meinem zweiten Bruder zu stellen«, fügte er leise hinzu.
»Und wann wir dieses Werk beginnen?« Axis suchte den
Himmel ab. »Im Frühling, würde ich meinen, oder im
Frühsommer. Mir steht jedenfalls nicht der Sinn nach
einem weiteren Winterfeldzug.«
»Haltet Ihr es denn für klug, noch so lange zu warten?« warf Ho’Demi ein. Der Krieger drehte sich zu ihm
um und verstand, was der Häuptling meinte. Mehr noch
als Magariz konnte der Rabenbunder es kaum erwarten,
sein Land wiederzugewinnen … und sein Volk zu befreien, falls überhaupt jemand davon überlebt hatte.
»Wir alle brauchen eine Weile, um wieder zu Kräften
zu kommen«, entgegnete der Sternenmann. »Gewiß sind
unsere Soldaten von neuem, frischem Kampfgeist erfüllt,
aber sie müssen erst wieder zu ihrer alten Stärke finden.
Sigholt bietet uns ausreichend Schutz, uns in aller Ruhe
zu erholen. Und, Ho’Demi, schaut Euch nur in dieser
Gegend hier um«, er wies mit ausgestrecktem Arm auf
den schmelzenden Schnee und das wiedererwachende
Grün. »Während der nächsten Monate wird dieses
Schauspiel sich
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