Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
dieser Gefahr aufzuräumen; doch eine besondere Eingebung warnte sie, daß das nur furchtbar für
sie enden könnte. Um die Himmelsbestien zu besiegen,
mußten ihre Kräfte noch weiter zunehmen.
Und letztlich wollte die junge Frau Axis nicht schon
wieder verlassen, nachdem sie ihn gerade erst wiedergefunden hatte. Oder Caelum.
»Ich stelle es mir schwierig, wenn nicht gar unmöglich
vor«, entgegnete Dornfeder, »alle aus dem Krallenturm
hinauszuführen. Schließlich dürfen wir die Alten und die
Kleinkinder nicht vergessen …«
»Ich habe Rabenhorst durch den Boten geraten«, erklärte ihm die Zauberin, »die Gebrechlichen, die Kinder
und alle anderen, die nicht fliegen können, zu den unterirdischen Kanälen zu schicken. Orr wird sich vielleicht
erst etwas bitten lassen, ihnen am Ende aber wohl kaum
die Fahrt verweigern.«
Der Ikarierbefehlshaber sah seinen General unbehaglich an. Er war dem Charoniten vor zwei Jahren begegnet
und hatte den Eindruck gewonnen, daß der launische
Fährmann zu allem erst lange überredet werden mußte.
Außerdem hatte er damals auch erfahren, daß Orr keine
allzu hohe Meinung von den Vogelmenschen hatte.
Wenn Rabenhorst sich persönlich zu ihm hinunter bemühte und in seiner herrischen Art von dem Fährmann
verlangte, die Kinder und die Alten zu befördern …
Dornfeder schüttelte sich bei der Vorstellung, und das
entging weder Axis noch Aschure.
»Geschwaderführer«, wandte sich der Krieger an ihn,
»wir müssen einfach in Erfahrung bringen, ob die Ikarier
sich zur Reise rüsten. Sorgt dafür, daß sie nach Awarinheim fliegen, oder besser noch, in den Süden Tencendors.
Stellt auf alle Fälle sicher, daß sie ihr Heim verlassen.«
Der Vogelmann nickte kurz, salutierte dann und entfernte sich bedrückt.
Am nächsten Morgen brach Dornfeder mit einer Staffel
auf und flog so lange und so schnell, wie seine Kräfte es
zuließen. Zur Nacht rasteten sie jeweils sechs oder sieben
Stunden in Awarinheim, und wenn sie Glück hatten, trafen sie einen Awarenklan an, der sie bei sich aufnahm.
Die Waldläufer berichteten ihnen, seit Jultide keine größeren Ikarierbewegungen bemerkt zu haben.
Ein Klanhäuptling erklärte den Luftkämpfern achselzuckend: »In den Wochen vor dem Fest trafen täglich
einige Hundert von ihnen bei uns ein. Aber seitdem nur
noch kleinere Gruppen von höchstens zwanzig Ikariern.«
Bei den Sternen! fluchte der Geschwaderführer. Zehntausende aus seinem Volk mußten sich immer noch im
Krallenturm aufhalten! In dieser Nacht gönnte er seiner
Staffel nur vier Stunden Schlaf, ehe er sich mit ihnen
wieder in die Lüfte erhob.
Als die Kämpfer endlich am Krallenturm eintrafen,
wimmelte es dort noch, wie gewohnt, vor Ikariern. Diese
Entdeckung löste in Dornfeder so große Niedergeschlagenheit aus, wie er sie seit der Vernichtung der Luftarmada am Azle nicht mehr erlebt hatte.
Allerdings war der Anflug der Staffel nicht unbemerkt
geblieben, und Rabenhorst erschien persönlich auf dem
höchsten Absprungbalkon der Bergstadt, um Dornfeder
zu begrüßen.
»Krallenfürst!« rief der Geschwaderführer, breitete die
Flügel aus und verbeugte sich vor seinem Herrn.
Rabenhorsts Mund verzog sich zu einem spöttischen
Grinsen: »Nach den Rangabzeichen zu schließen, habt
Ihr es inzwischen zum Geschwaderführer gebracht. Als
nächstes werdet Ihr mir wohl noch erzählen, Ihr führtet
die Luftarmada selbst an.«
Dornfeder richtete sich wieder auf, und in seinen
dunklen Augen stand soviel Trauer zu lesen, daß der
Krallenfürst entsetzt einen Schritt zurücktrat. »Nein«,
flüsterte er, »das darf nicht sein …«
»Fürst«, begann der Vogeljüngling, aber Rabenhorst
hörte ihn nicht.
»Ich habe bereits vernommen«, murmelte der Fürst,
»daß die Luftarmada durch die Greifen eine empfindliche
Niederlage erfuhr, aber sie können doch nicht alle gefallen sein … Weitsicht, Suchauge und all die anderen …«
Er sah den Jüngling wieder an, entdeckte immer noch
die Trauer in dessen Augen, und stöhnte schwer.
»Ich hatte ja keine Vorstellung, daß es so schlimm um
unsere Streitkräfte stehen könnte … Sagt mir, Dornfeder,
sieht unsere Lage wirklich so verzweifelt aus?«
Der Geschwaderführer schüttelte den Kopf und
wünschte, der Fürst würde ihn hineinbitten, damit er
endlich aus dem Wind kam, »Nein, Herr, so schlimm
nicht. Ich glaube sogar, daß wir immer noch Hoffnung
hegen dürfen. Doch dazu müßt Ihr sofort veranlassen,
daß unser Volk
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