Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
wenn eines der Wesen
sie im Lauf berührte; oder wenn ein Vogel sich kurz in
ihrem Haar verfing und sich dann rasch wie ein kurzer
Lufthauch wieder befreite.
»Ohhh«, machte die Edle, als der rasende Zug vorüber
war und sie sich umdrehten, um zuzusehen, wie der neue
und wiedervereinte Wald alle Geschöpfe aufnahm.
»Sie hören bestimmt nicht auf, bis sie den Süden erreicht haben«, sagte die Jägerin.
»Die Wesen des Zauberwalds betreten ihr neues Heim
…« sagte Faraday selig, bis sie plötzlich ernst wurde.
»Aschure? Schra? Hört Ihr das auch?«
»Ich vernehme nichts bis auf die Geräusche der Nacht,
die rings um uns herum erwachen«, antwortete die Jägerin.
Faraday starrte mit gerunzelter Stirn erst in das Verbotene Tal und dann auf den neuen Wald südlich von ihr.
»Bardenmeer und Awarinheim sind miteinander vereint«,
sagte sie langsam. »Das Lied des Erdbaums müßte doch
mittlerweile auch den neuen Wald erreichen … Er wird
nicht wahrhaft erwachen, solange das Lied ihn nicht berührt … Habe ich irgend etwas falsch gemacht?«
Nun blickte auch Aschure in das Tal, das sie von nun
an nie mehr das Verbotene nennen würde. Der Nebel
hatte sich verzogen, und nur noch die Gischt des Nordra
hing in der Luft. Weiches Mondlicht beleuchtete das
Land, und die Göttin blickte nach oben und nickte ihrem
Himmelskörper zu. Awarinheim ließ sich von hier deutlich erkennen … als ein Eichhörnchen über den Pfad am
Fluß sprang, mußte Aschure die schmerzliche Erinnerung
an Axis unterdrücken, als er vor Zeiten dort über Ramu
gestanden und ihm das Schwert an den Hals gesetzt hatte.
Ja, wo blieb das Lied des Erdbaums? Ohne dieses besäße der neue Wald zwar immer noch sein Leben, aber
nur wenig Zaubermacht. Gorgrael könnte es dann gelingen, erneut zum Angriff überzugehen … und noch einmal den Winter über das Land zu schicken … Alles hing
jetzt vom Lied des Erdbaums ab.
Die Jägerin spürte, wie die Edle immer stärker zitterte.
»Faraday …« flüsterte sie und suchte nach irgendeinem
tröstlichen Wort, und sei es auch noch so abgedroschen,
als Schra mit einem Mal aufgeregt auf und ab hüpfte.
»Hört Ihr das?« schrie das kleine Mädchen. »Da
kommt es! Ich kann das Lied schon hören!«
Faraday und Aschure erstarrten und lauschten. Barsarbe, welche beide schon halb vergessen hatten, trat wieder
hinter dem Baum hervor und näherte sich ihnen langsam.
Die Awarin war bleich geworden. In all ihren Jahren als
Magierin hatte sie nie eine solche Fülle von unglaublichen Dingen geschaut oder sich von soviel Macht umgeben gesehen wie an diesem Abend.
Aber diese Aschure stand weiterhin neben der Baumfreundin, als sei dies alles vollkommen natürlich. Man
hätte meinen können, Aschure sei tatsächlich Faradays
Schwester. Doch Barsarbe wußte es besser: Dieses böse
Weib hatte die Baumfreundin belogen und betrogen und
ihr den versprochenen Mann weggenommen.
Schra fiel ihr ins Auge. Das kleine Mädchen stand völlig verzaubert da, so als seien auch ihr von Aschures bösartiger Zaubermacht die Sinne vernebelt.
Nicht auch noch das Kind, dachte Barsarbe und schritt
entschlossen zu der Gruppe. Sie war festen Willens, jetzt
ein für alle Mal mit Aschure abzurechnen. Diese böse
Frau hatte mehr als genug Unglück gebracht.
Doch auf halbem Weg blieb sie plötzlich stehen.
Da kam etwas aus Awarinheim heran.
Die Magierin konnte es nicht sehen noch hören, aber
dafür um so deutlicher fühlen.
Faraday trat einen Schritt vor und griff dann hinter
sich, um Aschures Hand zu ergreifen und sie mit sich zu
ziehen. »So hört doch!«
Noch ließ sich nichts vernehmen, aber wie Barsarbe,
Aschure und Schra spürte sie den Erdbaum, der sich
durch Awarinheim dem neuen Wald näherte. Aber die
Jägerin fühlte auch eine Gefahr: »Faraday, Schra«,
drängte sie. »Aus dem Weg! Jetzt sofort!«
Die Edle schrie empört, als Aschure sie fortziehen
wollte. Doch Schra schien begriffen zu haben und half
der Göttin, Faraday hinter Mirbolt zu ziehen.
Die Magierin stand unentschlossen da, schaute zu den
dreien hinüber und nach Awarinheim und zog sich dann
ebenfalls zurück.
»Barsarbe«, rief Aschure, »wir finden alle unter Mirbolt Platz.«
Aber die Awarin bedachte sie nur mit einem unwirschen Blick und sah dann in eine andere Richtung.
Faraday hielt sich am mächtigen Stamm des letzten
Baums fest, und die Macht, die über die Pfade Awarinheims herandrängte, ja, heranstürmte, ängstigte sie nicht
im
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