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Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Titel: Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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verfolgen dürfen. Früher
waren die Bäumchen erst in der Nacht gewachsen und
hatten dann schließlich ihre volle Höhe erreicht. Aber
nun schienen sie es kaum noch erwarten zu können.
»Faraday«, flüsterte die junge Frau und schämte sich
nicht der Tränen ihrer Ergriffenheit.
Aber diese hörte sie nicht, denn in höchster Verzükkung verfolgte sie das Schauspiel, das sich ihr bot.
Die Schößlinge reckten und schoben sich himmelwärts
– anders vermochte Faraday den Vorgang nicht zu beschreiben, der sich auf der Ebene abspielte. Fast hätte
man meinen können, daß der fertige Baum bereits in dem
Setzling geschlummert hatte und nun, erwacht, plötzlich
und unaufhaltsam in die Höhe schoß.
Die einige Meter entfernt wartenden Awarinnen fielen
vor Erstaunen auf die Knie und schlugen sich die Hand
vor den Mund.
Aschure umarmte Faraday. »Liebste Freundin«, flüsterte sie ihr ins Ohr, »schaut nur, was Ihr vollbracht
habt.«
Noch während sie sprach, erreichten die Bäume schon
ihre volle Höhe und strebten nach den ersten Sternen, die
sich im Dämmerlicht zeigten. Ihre Äste streckten sich
zueinander aus, bis sie den ganzen Boden mit sanft
schaukelnden Schatten bedeckten.
Und nun erinnerte nichts mehr an Smyrdon. An seiner
Stelle erhob sich das mächtige Bardenmeer.
Plötzlich schrie Faraday auf und warf sich in Aschures
Arme. Alle drei Frauen und das Awarenmädchen mußten
nun der ehemaligen Mirbolt Platz machen; denn jetzt
schoß auch sie als Baum in den Himmel, und die Luft
rings herum summte vor Kraft, Macht und Glück.
Die Edle klatschte in die Hände.
»Seht nur, Aschure!« rief sie. »Mirbolt lebt wieder!«
»Herrin«, warf Frau Renkin ein, »die Zeit naht, da ich
Euch leider verlassen muß.«
»Mich verlassen?« entfuhr es der Edlen, »aber liebe
Freundin, Ihr könnt doch jetzt nicht von mir gehen! Ich
brauche Euch … bald …«
»Ganz ruhig, liebliche Herrin.« Frau Renkin nahm sie
in die Arme. »Ganz ruhig, Eure Schwester ist doch bei
Euch. Aschure steht Euch zur Seite. Sie besitzt genug
Erfahrung und bringt genug Liebe für Euch auf, um Euch
durch alle Fährnisse zu führen. Der Weg, den Ihr von nun
an beschreitet, ist nicht mehr der meine … und die
Pflanzarbeit ist getan.«
Faraday fing an zu weinen. »Bäuerin Renkin …«
»Aber, aber, mein Kind«, tröstete diese sie. »Ich habe
doch eine Familie, zu der ich zurückkehren muß.« Frau
Renkin schwieg kurz und betrachtete den Wald. »Vielleicht wandere ich auch für einige Zeit durch die Wälder.
Sammle Kräuter und erinnere mich wieder an die Geschichten, die meine Großmutter mir erzählt hat. Ja, ich
glaube, das werde ich tun.«
Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln, jedoch nur
kurz, und dann drückte sie die Edle an ihren Busen.
»Zweifelt nicht daran, daß wir uns wiedersehen werden,
mein Kind. Auf diesen Waldpfaden, auf denen wir nun
frei und ungebunden herumwandern dürfen.«
Faraday schluckte ihre Tränen hinunter und nickte;
denn sie verstand. Ja, sie würde ungebunden und frei
sein.
»Braves Mädchen«, lobte die Bäuerin und küßte sie
auf die Wange. »Vergeßt auch nie die Worte der Hoffnung, welche die Mutter Euch gelehrt hat.«
Die Edle schluchzte noch einmal auf und wischte sich
die Tränen aus den Augen.
»Scheint alles rettungslos verloren,
Dann sei getrost, verzage nicht!
Die Mutter, die dich einst geboren,
Geleitet dich ins ferne Licht.«
Die Bäuerin seufzte erleichtert. »Bewahrt diese Worte
stets in Eurem Herzen, Tochter. Immer. Ruft meinen
Namen, und ich werde kommen.«
Sie wandte sich zum Gehen, entdeckte dann aber
Schra, die schweigend abseits stand. »Kleines Mädchen«,
sagte sie, und die Awarentochter kam zu ihr.
»Meine Kleine, Ihr müßt lernen, den Mund aufzumachen und zu sprechen. Bei all der Weisheit in Euch
schweigt Ihr mir zu oft.«
»Ja, Mutter.«
Die Bäuerin lächelte, und tiefe Liebe breitete sich über
ihre Züge aus. »›Ja, Mutter‹, ist alles, was dieses Gör
hervorbringt. Aber das muß für den Augenblick reichen.«
Sie strich Schra über die Wange.
Damit setzte Frau Renkin sich in Bewegung und
schritt rüstig in Richtung Wald aus. Unterwegs winkte
sie noch einmal und rief auch den Awarinnen ihren Gruß
zu.
»Sie war die Mutter, nicht wahr, Faraday?« fragte das
Waldläufermädchen leise.
Die Edle nickte, ohne den Blick von der Bäuerin zu
wenden, die eben zwischen den Bäumen verschwand.
»Manchmal war die gute Frau Renkin die Mutter, aber
manchmal auch nur

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