Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
hinter ihr herflatterte und den Blick auf Caelum verdeckte.
Sie hörte das Donnern von Hufen, den Ruf der Brücke
und das Gebell der Hunde. Dann herrschte wieder
Schweigen auf dem Burghof. Nur Rivkah und die Burgbewohner hielten sich noch hier auf, die ihre Arbeit
liegengelassen hatten, um sich von der Zauberin zu verabschieden.
Wieder jagten sie dahin, als seien Venator Flügel gewachsen. Die ganze Nacht hindurch erleuchtete ihnen
heller Mondschein den Weg; und bei Tag hatte es den
Anschein, als würden sie und das Rudel Alaunt in elfenbeinfarbenes Licht getaucht.
Wenn sie ihre Reise kurz unterbrach, um allen etwas
Ruhe zu gönnen, wartete bereits ein prasselndes Lagerfeuer auf sie. Meist saß dort Adamon, manchmal aber auch
Pors oder Silton, und reichte ihr ein gebratenes Rebhuhn.
Die Hunde rollten sich im Kreis um sie zusammen und
schliefen. Sobald Aschure gegessen und ein paar Minuten
gedöst hatte, weckte sie ihre Tiere, und diese erwiesen
sich dann stets als so frisch wie zu Beginn der Reise. Sie
gab ihnen etwas zu fressen, und das reichte ihnen dann für
die nächste Etappe auf der Reise nach Gorken.
Caelum, der liebe kleine Kerl, schlief fast den ganzen
Ritt hindurch, eingelullt vom Mondlicht und den Bewegungen vom Körper seiner Mutter, der sich der Gangart
des Pferdes anpaßte.
Am Lagerfeuer wachte er dann kurz auf, um den jeweiligen Gott am Feuer anzustrahlen und etwas zu essen
zu bekommen. Danach fiel der Knabe sofort wieder in
Schlaf und träumte die Träume, die seine geistigen und
seelischen Schäden der Vergangenheit sanft behoben, um
ihn schließlich alle Schrecken vergessen zu lassen.
Gleichzeitig heilten auch seine körperlichen Verletzungen. Als Venator schließlich am Südrand der Eisdachalpen nach Westen jagte, lachte Caelum jedesmal,
wenn er erwachte, schon wieder glücklich und vollkommen zufrieden.
Aschure lachte mit ihm und dankte dem Mond dafür,
daß Axis, sobald er seinen Sohn wiedersähe, nichts von
der Tiefe der Schmerzen erkennen würde, die Caelum
hatte durchleiden müssen.
20 M ARSCH AUF DIE
F
ESTE
G
ORKEN
»Dort!« Axis zeigte in den Himmel. »Dort kommen sie!«
Da Belial nicht über die besondere Sehkraft eines
Zauberers verfügte, mußte er seinem Freund einfach
glauben. »Sind sie vollzählig?« fragte der Leutnant nur.
»Ja.« Der Krieger seufzte erleichtert.
Belial hüllte sich etwas fester in seinen Umhang und
wartete darauf, daß die Späher vor ihnen landeten. Die
Armee stand zweieinhalb Meilen südlich vor den Ruinen
der Stadt Gorken. Die gleichnamige Burg wirkte hingegen ziemlich gut erhalten. Am Morgen hatte der Sternenmann acht Ikarier losgeschickt, um im Gebiet des
Gorkenpasses das Heer der Skrälinge auszukundschaften,
das dort in Stellung gegangen war.
Vor neun Tagen hatte Xanon Axis von der Verschleppung Caelums berichtet, und seitdem hatte er sich mit
vielerlei Beschäftigungen von der Sorge um seine Gemahlin und seinen Erstgeborenen abzulenken versucht.
Der Krieger hatte seine Armee angetrieben, um Gorken
möglichst rasch zu erreichen, dabei aber darauf geachtet,
seine Soldaten nicht zu sehr zu überanstrengen und die
Verbindung mit dem Troß auf keinen Fall zu verlieren.
Je weiter sie nach Norden vorstießen, desto schlechter
wurde das Wetter. Für Mitte des Blumenmondes herrschte hier eine viel zu strenge Kälte. Als Axis sich einmal
über den grimmigen Wind beschwerte, der unablässig
aus Norden heranwehte, lächelte Magariz nur düster und
entgegnete, daß selbst im wärmsten Sommer der Schnee
des Gorkenpasses nicht schmelze.
»Und große Teile Rabenbunds sind fast das ganze Jahr
hindurch eingeschneit«, fügte Ho’Demi hinzu.
Der Krieger murrte, daß er es müde sei, nur im Winter
Feldzüge zu führen und Schlachten zu schlagen, worauf
Belial ihm spöttisch entgegenhielt: »Tencendor ist befreit, mein Freund, und selbst hier oben scheint die Sonne
fast den ganzen Tag. Der Blumenmond macht seinem
Namen in Ichtar wieder alle Ehre, und südlich des Nordra
steht sicher schon die Erntezeit kurz bevor. Wenn Ihr
einen oder zwei weitere Monate Schnee nicht ertragen
könnt, um diese Geisterkreaturen ins Meer zu jagen, dann
solltet Ihr wohl besser in den Süden zurückkehren und
Euch mit einer warmen Decke über den Beinen ans Kaminfeuer setzen.«
»Wenn es mir je vergönnt sein sollte, mit einer Decke
über den Knien am Kaminfeuer zu sitzen, hätte ich Euch
zu gern an meiner Seite, Belial. Ihr könntet mir dann
doch etwas
Weitere Kostenlose Bücher