Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
überlebt, als der
Leutnant zählen konnte. Wenn eine solche Entscheidung
bevorstand, hatte sein Freund regelmäßig gereizt gewirkt.
Auf diese Weise entledigte er sich wohl seiner inneren
Anspannung. So gelöst wie heute hatte Belial ihn jedenfalls noch nie erlebt. Was mochten die beiden in der
Nacht im Zelt ausgekocht haben?
»Ah, da kommen ja der Geschwaderführer und der
Häuptling«, sagte der Krieger. »Meine Freunde, heute
wird Aschure mit uns kämpfen, und gleich welchen Sieg
wir erringen, wir werden ihn ihr zu verdanken haben.
Meine Liebe, erklärt den anderen bitte Euren Plan.«
Die junge Frau lächelte ihn an und wandte sich dann
an die Befehlshaber. »Ihr Herren, heute wollen wir zwei
Aufgaben erledigen. Zum einen, den Himmel von den
Greifen zu reinigen. Und zum zweiten, das Land von
Gorgraels Eiskreaturen zu befreien, vor allem von den
Skrälingen. Das dürfte aber nicht zu schwer sein.«
»Wie bitte, Zauberin?« Dornfeder zog eine Braue
hoch. In diesem frühen Tageslicht bot er einen beeindruckenden Anblick. Die Schwingen hatte er sich
schwarz gefärbt, wie es die Ikarier zu tun pflegten, wenn
sie in den Krieg zogen. Des weiteren hatte der Vogelmann sein Haupthaar und das Halsgefieder mit Öl zurückgekämmt, und seine dunklen Augen blickten sehr
entschlossen drein. »Der Sieg über dieses Heer dort hinten sollte uns nicht schwerfallen? Mehrere hunderttausend Skrälinge sind da in Stellung gegangen, und was die
verwünschten Greifen angeht, so wissen wir nicht einmal, wo sie sich versteckt halten!«
»Dornfeder«, begann die Jägerin voller Mitgefühl und
legte ihm eine Hand auf den Arm, »die Himmelsbestien
sammeln sich gerade zwischen den Felsen am Gorkenpaß. Sie sind gestern nacht hier eingetroffen – auf dem
Rückflug vom Krallenturm.«
Der Geschwaderführer gab einen unterdrückten Schrei
von sich und mußte sich abwenden. Als er seine Fassung
zurückgewonnen hatte, konnte er Aschure wieder in die
Augen sehen: »Herrin, dies schwöre ich vor allen Anwesenden – jeder Streiter der Luftarmada wird vor seinem
Tod mindestens zweien dieser Mörder den Garaus gemacht haben. Um den Tod von Rabenhorst, Hellefeder
und all den anderen zu rächen, die ihnen zum Opfer fielen. Verlaßt Euch darauf, Zauberin und Sternenmann,
heute werdet Ihr allen Grund haben, stolz auf die Luftarmada zu sein!«
»Oh, aber ich weiß, daß ich heute mit den Ikariern
mehr als zufrieden sein werde«, entgegnete die junge
Frau. »Seht her.«
Sie nahm den Köcher vom Rücken und drückte ihn
dem Vogelmann in die Hände. »Dornfeder, erinnert Ihr
Euch an diese Pfeile?«
Verwirrt hielt der Geschwaderführer den Köcher, lächelte aber leicht verlegen, als ihm alles wieder einfiel.
»Ja, Zauberin, das tue ich. Damals glaubte ich, Ihr vermöchtet nicht einmal, den Wolfen zu spannen, den ich
Euch eitel und selbstgefällig vorführte. In meiner Vermessenheit versprach ich Euch sogar den Bogen selbst
und einen Köcher voller Pfeile, die ich mit meinen eigenen Flügelfedern bestücken wollte, wenn Ihr mit ihm ein
Ziel treffen könntet.«
»Und ich verlangte, daß Ihr die Federn so blau wie
meine Augen färben solltet«, lachte Aschure. »Nun, wir
alle wissen, wie der Wettstreit damals ausging. Und nun
haltet Ihr eben diesen Köcher mit den von Euch befiederten Pfeilen in der Hand. Dornfeder, verkündet der Luftarmada, daß sie heute keine eigenen Waffen anzulegen
brauche. Statt dessen reicht Ihr jedem Eurer Streiter einen Pfeil aus diesem Köcher.«
»Aber die reichen doch nicht einmal für drei Staffeln …«
Die Jägerin legte ihm ihre Hände auf die Schultern.
»Geschwaderführer, verlaßt Euch auf mich. Ihr werdet
ausreichend Pfeile für jeden Eurer Kämpfer vorfinden,
und auch noch einen für mich.«
Der Ausdruck der Zuversicht in ihren Augen und die
Wärme und Nachdrücklichkeit ihrer Worte überzeugten
den Ikarier. »Wie Ihr wünscht, Zauberin.«
»Und wenn wir heute das Schlachtfeld betreten, Dornfeder«, fuhr sie fort, »werden die Vogelmenschen mehr
als genug Gelegenheit erhalten, an den Greifen Rache für
das zu nehmen, was sie Eurem Volk angetan haben.«
Der Ikarier atmete vernehmlich auf. »Danke, Herrin.«
Axis zeigte mit der freien Hand, die nicht Caelum
hielt, auf die glimmenden Äste: »Würde wohl jemand so
liebenswürdig sein, dieses Feuer dort wieder in Gang zu
bringen? Ich habe noch nicht gegessen, und kalt
schmeckt mir das Frühstück nicht.«
»Aber, Herr …« begann Magariz,
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