Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06
trat einen Schritt zurück, und der
Leutnant richtete sich gerade auf und sah seinen Freund
an. »Aufgeregt, Fürst?«
»Woher denn? Nur ein bißchen Todesangst, sonst
nichts.«
»Kein Soldat sollte sich schämen, seine Furcht einzugestehen«, entgegnete Belial. »Ich habe in der Nacht kaum
ein Auge zugetan. Versucht die Sache doch einfach so zu
sehen, Magariz: Entweder sind wir heute abend alle tot,
oder wir leben noch. Und wenn wir verlieren und Timozels Scharen das Schlachtfeld behaupten, möchte ich lieber tot sein, als mit ansehen zu müssen, wie alles, was wir
in Tencendor aufgebaut haben, wieder zerstört wird.«
»Ihr habt heute wohl wieder Euren philosophischen
Tag, was?« bemerkte Axis gutgelaunt. Belial drehte sich
zu ihm um und konnte ihn nur anstarren.
Der Krieger war in sein goldenes Langhemd gekleidet,
auf dem die blutrote Sonne prangte. Von seinen Schultern floß ein roter Umhang, und sein Bart funkelte golden
in der gerade aufgehenden Sonne. Er hatte ihn sich kurz
getrimmt und das Haar zurückgekämmt und zu einem
Zopf zusammengebunden. Seine Hände ruhten auf dem
Griff eines Schwertes, und Belial erkannte in ihm die
Waffe des getöteten Jorge.
»Vielleicht bekomme ich ja heute Timozel vor die
Klinge«, sagte der Sternenmann.
»Seid Ihr denn von Sinnen?« fuhr sein Leutnant ihn
an. »Wo bleibt Eure Rüstung? Axis, Ihr fallt schon in der
ersten Minute, wenn Ihr so in die Schlacht reitet!«
Der Krieger sah ihn ernst an. »Ich will, daß der Feind
weiß, mit wem er es zu tun hat. Und er soll stets sehen
können, wo ich gerade stehe und kämpfe.« Mit einem
Lächeln fügte er hinzu: »Und heute brauche ich keine
Rüstung.«
Belial öffnete sofort den Mund zu einer strengen Entgegnung, aber nun trat Aschure aus dem Zelt mit Caelum
auf dem Arm. Sie beredete kurz etwas mit einem Bewaffneten und stellte sich dann neben ihren Gemahl.
»Belial, Axis und ich haben die halbe Nacht damit verbracht, uns Gedanken über den bevorstehenden Kampf
zu machen. Infolgedessen haben wir den Schlachtplan
ein wenig geändert.«
»Hol mich doch der Teufel!« entfuhr es dem Leutnant.
»Gestern abend haben wir die Köpfe rauchen lassen, um
unsere Strategie bis in die kleinste Kleinigkeit auszutüfteln, und jetzt kommt Ihr daher und teilt uns in einem
Tonfall mit, als würden wir übers Wetter plaudern, daß
Ihr schon wieder alles umgestoßen habt? Ohne auch nur
einen Gedanken daran zu verschwenden, Euch mit Euren
Befehlshabern abzustimmen!«
»Ich fürchte, wir müssen uns wirklich bei Euch entschuldigen«, gab Axis zu. »Ja, wir hätten uns mit Euch
zusammensetzen müssen. Aber die Nacht war schon so
weit fortgeschritten, als wir endlich Klarheit gewonnen
hatten, daß wir es für wenig geboten hielten, Euch zu
wecken.«
»Das hättet Ihr nicht gemußt, ich habe ja ohnehin die
ganze Nacht wachgelegen«, murrte der Leutnant.
Magariz trat vor. »Dann laßt uns nicht länger im unklaren, Sternenmann. Was habt Ihr Euch ausgedacht, das
eine Rüstung unnötig macht?«
Der Krieger hatte noch nie auf sie verzichtet, wenn er
kämpfte. Er achtete auch streng darauf, daß seine Soldaten seinem Beispiel folgten. Und selbst Aschure trug
stets ein Kettenhemd, wenn sie sich in den Kampf stürzte. Der Fürst erinnerte sich noch gut daran, daß die Zauberin während der Schlacht am Bedwyr Fort ebenso
schwer gepanzert gewesen war wie die Männer.
»Ich habe nach Dornfeder und Ho’Demi geschickt«,
entgegnete Aschure. »Wir brauchen sie hier.«
»Wenn die beiden eingetroffen sind, erklären wir Euch
alles«, sprach Axis, nahm Caelum aus den Armen seiner
Gemahlin und tauschte mit ihm kleine Scherze aus.
Belial konnte die drei nur anstarren. Als sie gestern
abend alle am Lagerfeuer gesessen, und ihre Gedanken
ausgetauscht hatten, war der Kleine kaum von seinem
Vater zu trennen gewesen. Er saß die ganze Zeit auf seinem Schoß, und später schlief er in seinen Armen.
Der Leutnant brachte sich in eine bequemere Stellung,
um seine schwere Rüstung besser tragen zu können. Man
benötigte immer eine Stunde oder länger, um sich an das
zusätzliche Gewicht zu gewöhnen. Und wenn sie stundenlang die Haut wundgerieben hatte, war man froh, sie
endlich wieder loszuwerden. Aber die Nachteile einer
Rüstung im allgemeinen bereiteten ihm jetzt die geringsten Sorgen.
Warum wirkte der Krieger so gelassen, ja, fast heiter?
Belial kämpfte nun schon viele Jahre an seiner Seite, und
sie hatten gemeinsam mehr Schlachten
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