Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Muskel, Ader für Ader und Nerv um Nerv in Tausende von Stücken gerissen zu werden. Ihm wurde schwarz vor Augen. Zusammengekauert sank er in eine Ecke der Maschine, verlor jedoch nicht zur Gänze das Bewusstsein. Ihm war, als müsse er in diesen unermesslichen Abgründen in einem endlosen Meer aus Finsternis ertrinken. Über allem schwebte, so fern, dass er sie immer wieder verlor, eine überirdische Melodie, süß wie Sirenengesang oder die sagenhaften Sphärenklänge – und doch zugleich so dissonant, als wolle sie die Mauern der Zeit selbst zum Einsturz bringen.
Er hatte den Eindruck, seine Nerven seien bis aufs Äußerste gestreckt und zum Zerreißen gespannt, so als würde man ihn in den Kerkern einer imaginären Inquisition mithilfe diabolisch widerhallender Schlaginstrumente foltern, die auf unerklärliche Weise an seine Körperzellen gekoppelt waren. Einmal war ihm, als sähe er Vizaphmal Millionen von Meilen entfernt vor einem in allen Farben lodernden Himmel an den Gestaden eines fremden Planeten stehen. Zu seinen Füßen wogte sanft wie ein gebändigter Ozean die ewige Nacht des Universums. Dann war die Erscheinung auch schon wieder verschwunden und die Intervalle, in denen die ferne, überirdische Musik erscholl, wurden immer größer, bis er sie schließlich gar nicht mehr hörte und auch die Qual an seinen äußersten Nervenenden ein Ende hatte. Immer tiefer schloss sich die Kluft über ihm, durch Äonen aus Leere und Finsternis sank er hinab bis zum tiefsten Punkt des Vergessens.
Nur langsam, ganz allmählich kam Alvor wieder zu sich. Wach zu werden schien wesentlich länger zu dauern als sein Abstieg ins Reich des Lethe. Noch immer am Grund einer uferlosen, endlosen Nacht liegend, nahm er einen Duft wahr, dessen Herkunft er nicht zu bestimmen vermochte, den er jedoch auf unklare Weise mit innigster Wärme verband. In einem fort veränderte sich das Aroma, das an seine Nase drang, so als setze es sich aus zahllosen unterschiedlichen Bestandteilen zusammen, von denen jeder abwechselnd die Oberhand gewann. Mystisch zunächst, wie bei von einem antiken Altar aufsteigender Myrrhe, nahm er bald die schwere, einschläfernde Süße unvorstellbarer Blumen an, die beißende Schärfe sich verflüchtigender, der Wissenschaft bislang unbekannter Chemikalien, den Geruch nach exotischer Erde und fremdartigen Wassern. Ihnen schlossen sich weitere Nuancen an, die an rein gar nichts erinnerten, außer vielleicht an eine evolutionäre Entwicklung, die außerhalb jedes menschlichen Erfahrungshorizonts und Einschätzungsvermögens lag.
Für geraume Zeit waren Alvors Sinnesreaktionen auf dieses bunte Gemisch aus Düften das Einzige, was er wahrnahm; dann kehrte allmählich das Bewusstsein seiner eigenen körperlichen Existenz zurück. Der Grund dafür waren ungewöhnliche Empfindungen, aber auch Berührungen. Anfangs war ihm gar nicht klar, dass er sie nur in seinem Inneren spürte. Sie schienen zu einer fremden Wesenheit in einer fernen Dimension zu gehören, mit der er über unüberbrückbare Abgründe hinweg durch hauchzarte Bande verbunden war.
Diese Wesenheit, nahm er an, ruhte sich auf einer unsagbar weichen Substanz aus, in der er träge und mit einem Gefühl äußerster körperlicher Schwere – so schwer, dass er sich nicht zu bewegen vermochte – versank. In den nachtschwarzen Zyklen der Leere treibend, kam dieses Wesen langsam, unsäglich langsam auf Alvor zu, um schließlich ohne erkennbaren Übergang, so als sei dies vollkommen normal und logisch, eins mit ihm zu werden. In weiter Ferne begann, wie ein einsamer Stern in der Unendlichkeit, ein winziges Licht zu schimmern; es kam näher und näher und wurde immer größer, bis es das schwarze Nichts mit seinem strahlenden Glanz erfüllte und zu einem vielfarbigen Gleißen wurde, das Alvor beinahe überwältigte.
Er fand sich mit weit aufgerissenen Augen auf einem Sofa liegend in einer Art Pavillon wieder, der aus einer niedrigen, auf einer Doppelreihe diagonal gerippter Säulen ruhenden, elliptischen Kuppel bestand. Er war splitternackt, doch hatte jemand ein aus dünnem, blassgelben Stoff gewirktes Laken über seinen Unterleib ausgebreitet. Obgleich seine Hirnzentren noch halb betäubt waren, als stünde er unter dem Einfluss von Opiaten, erkannte er auf den ersten Blick, dass dieses Laken keinesfalls das Produkt eines irdischen Webstuhls war.
Das Sofa, auf dem er lag, war mit grauem und dunkelrotem Material überzogen, aber ob es sich nun um Federn,
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