Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
Fell oder Tuch handelte, vermochte Alvor nicht zu sagen. Die Beschaffenheit des Bezugs ließ jedenfalls auf alle drei Materialien schließen. Er war sehr dick und nachgiebig, und daran lag es wohl, dass Alvor seine Unterlage als ausnehmend weich empfand, als er aus seiner Ohnmacht erwachte. Das Sofa befand sich höher über dem Boden als ein gewöhnliches Bett und war überdies länger. In seinem benommenen Zustand bereitete dies Alvor größere Sorgen als die übrigen Umstände seiner Lage, die weitaus kurioser und wesentlich schwieriger zu erklären waren.
Sein Erstaunen wuchs zunehmend, während er allmählich wieder zu sich fand und sich umblickte. Alles, was er sah, roch und berührte, war ihm vollkommen fremd und unerklärlich. Den Boden des Pavillons zierten geometrische Einlegearbeiten, Ovale, ungleichseitige Parallelogramme und gleichschenklige Dreiecke aus schwarzen, weißen und gelben Metallen, wie sie keine Mine der Erde je preisgegeben hatte. Die Säulen bestanden aus denselben drei Materialien, die sich regelmäßig miteinander abwechselten. Lediglich die Kuppel war zur Gänze aus dem goldgelben Metall getrieben.
Nicht weit von dem Sofa stand auf einem niedrigen dreibeinigen Tischchen ein dunkles Gefäß mit einer breiten Öffnung, aus der schillernder Dampf quoll. Jemand, der unsichtbar hinter den prächtigen Schwaden stand, fächelte Alvor den Dampf zu. Der stellte fest, dass der myrrheartige Duft, der ihm beim Erwachen in die Nase gestiegen war, von dort ausging. Er war recht angenehm, wurde aber immer wieder von heißen Windböen weggeweht, die ein Gemisch unterschiedlichster Gerüche in den Pavillon trugen, die sowohl lieblich als auch beißend zugleich und für Alvor nicht zuzuordnen waren.
Als er zwischen den Säulen hindurchblickte, sah er die ungeheuren Kelche hoch aufragender Blüten mit pagodenartig angeordneten Reihen saftiger, träge schwankender Blätter. Dahinter erstreckte sich eine terrassenförmig immer höher ansteigende Landschaft malvenfarbener und rötlicher Hügel bis zu einem unendlich fernen Horizont, an dem sie sich mit dem Firmament vereinten. Über alldem spannte sich ein strahlend heller Himmel, vom durchdringenden Gleißen einer nun von der Kuppel verdeckten Sonne erfüllt.
Alvor begannen die Augen zu schmerzen, die Düfte verwirrten und lähmten ihn. Er wurde von einer schrecklichen Ungewissheit niedergedrückt und nur dunkel entsann er sich seiner Begegnung mit Vizaphmal und der seiner Ohnmacht vorausgehenden Ereignisse. Er war unerträglich nervös, eine Zeit lang gerieten all seine Gedanken und Empfindungen in quälende Unordnung. Irrationale Ängste drohten ihn zu übermannen wie jemanden, der gleich ins Delirium fällt.
Eine Gestalt trat hinter den sich teilenden Dunstschleiern hervor und auf Alvors Liegestatt zu. Es war Vizaphmal. In einer seiner fünf Hände hielt er einen großen, dünnen, kreisrunden Fächer aus bläulichem Metall, mit dem er Alvor die Dämpfe zugewedelt hatte, in einer anderen einen hohen, zur Hälfte mit einer rötlich schimmernden Flüssigkeit gefüllten Becher.
»Trinken Sie das«, befahl er, während er Alvor bereits das Gefäß an die Lippen setzte. Die Flüssigkeit brannte und war so bitter, dass Alvor hustend und immer wieder nach Luft schnappend nur in kleinen Schlucken zu trinken vermochte. Doch kaum hatte er den Becher geleert, wurde sein Kopf rasch wieder klar und seine Empfindungen waren bald wieder vergleichsweise normal.
»Wo bin ich?« Alvors Stimme kam ihm selbst ziemlich merkwürdig und fremd vor, fast wie die eines Bauchredners – was, wie er später erfuhr, an gewissen Besonderheiten der hiesigen Atmosphäre lag.
»Sie befinden sich auf meinem Landsitz in Ulphalor, einem Königreich, das die gesamte nördliche Hemisphäre von Satabbor einnimmt, des innersten Planeten Sanardas, der Sonne, die man in Ihrer Welt Antares nennt. Sie waren drei unserer Tage lang ohne Bewusstsein – womit ich natürlich gerechnet hatte, da mir klar war, wie sehr das, was Sie hinter sich haben, Ihr Nervenkostüm erschüttern würde. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass Sie bleibende Schäden oder Beeinträchtigungen davontragen werden. Soeben habe ich Ihnen ein Heilmittel verabreicht. Es wird Ihre Nerven und Körperfunktionen dabei unterstützen, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, unter denen Sie von nun an leben werden. Mithilfe der schillernden Dämpfe weckte ich Sie, als ich es für sicher und angebracht hielt, aus Ihrer Ohnmacht.
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