Die Grabstein-Clique
aufhalten mußten. Oder würde ich die vier endlich vernichten, wenn ich das Kreuz länger gegen die Steine preßte? Oder waren es keine Menschen, die geschrien hatten, sondern Seelen, die unter einem schrecklichen Terror litten.
Ich ging davon aus, daß es mir bereits gelungen war, den Zugang wieder zu verschließen. Wenn das magische Kunstgeschöpf Cigam seinen Mentor besuchen wollte, mußte es eben einen anderen Weg nehmen, von denen es sicherlich noch viele auf dieser Welt gab. Ich hatte eine trockene Kehle bekommen, weil ich nicht wußte, ob ich es richtig oder falsch machte.
»Tu es, John!«
»Okay.«
Diesmal streifte ich die Kette über den Kopf. Wir waren wegen der vier Mörder gekommen, und wir wollten nicht wieder ergebnislos verschwinden und gefährliche Altlasten zurücklassen. Das Kreuz wog schwer in meiner Hand, und dies im doppelten Sinne des Wortes.
Sie sank in die Tiefe.
Sehr langsam, beinahe wie im Zeitlupentempo. Ich schaute dabei über die Steine hinweg, gegen die weiter entfernten Felswände, gegen dichtes Strauchwerk und Bäume.
Alles wirkte so klar und hingestellt wie auf einer gewaltigen Naturbühne. Die Steine rührten sich nicht. Dunkel stand das Grabmal vor mir, als wollte es mir eine Warnung zuflüstern.
Suko nickte.
Ich dachte nicht mehr länger nach, sondern legte das Kreuz genau auf die Kante des diagonal stehenden Steins und wartete auf die Reaktion. Nichts tat sich.
Kein Schrei peitschte uns entgegen.
Ruhig und still stand das verdammte Grabmal auch weiterhin voruns. Keine Bewegung, nicht die geringste Reaktion, und ich spürte zum erstenmal so etwas wie Furcht in mir aufsteigen. Nicht vor dem Grab, sondern davor, daß man uns geleimt hatte.
Auch Suko wunderte sich. Er kam kofpschüttelnd näher. »Das begreife ich einfach nicht. Sie müssen mit der Kraft des Teufels geladen sein, verdammt!«
Ich erinnerte ihn an die Katze, die zerfetzt worden war. »Möglicherweise hat Asmodis eingesehen, daß dies hier nicht mehr sein Platz ist.«
Suko zeigte ein schiefes Grinsen, als er seine Dämonenpeitsche hervorholte. »Glaubst du das wirklich?«
»So recht nicht.«
Er schlug einen Kreis und schaute den drei aus Dämonenhaut gefertigten Riemen nach, wie sie aus der Öffnung rutschten. »Ich werde es mal ausprobieren, vielleicht habe ich Glück.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.« Ich ging zur Seite, um ihm Platz für einen Schlag zu schaffen.
Ausholen, zuschlagen, treffen!
Die Bewegung war fließend und ließ erkennen, daß Suko im Umgang mit der Peitsche sehr geübt war. Ich schaute zu, sah sogar, wie sich die drei Riemen auf dem Stein verteilten, ihn aber nicht zerstören konnten. Suko hätte ebensogut mit einem Springseil danach schlagen können.
»Verdammt, das verstehe ich nicht. Wir haben doch beide den Schrei gehört.«
»Ja, da ist auch was.«
»Hast du eine Idee?«
Zunächst ließ ich den Donnerschlag verhallen, dann gab ich die Antwort.
»Ich hätte eventuell eine, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie auch funktioniert.«
»Und welche?«
Ich lächelte Suko an. »Was hältst du davon, wenn wir das Grabmal verändern. Wir haben auf den Fotos eine andere Formation gesehen. Da war das Grab praktisch zerstört. Traust du dir zu, die Steine zu verändern, zu heben?«
»Mit dem kleinen Finger.«
»Dann los!«
Mit dem kleinen Finger schafften wir es zwar nicht, aber es war einfacher, als wir dachten. Wir kippten zunächst den diagonal stehenden Stein um, der mit einem dumpfen Laut auf dem Boden landete. Die anderen hatten keinen Halt mehr und fielen aufeinander zu. Sie prallten zusammen und landeten über dem ersten.
Beinahe sah es so aus wie auf dem Bild, und wir erlebten im nächsten Moment, daß wir genau das Richtige getan hatten.
Genau dort, wo die Steine lagen, fing der Boden an, sich zu verändern. Wir hörten zuerst das leise Brodeln, dann entstanden die ersten Dampfwolken, deren Geruch uns zurücktrieb.
Suko freute sich bereits, denn er sagte: »Das ist der Anfang vom Ende, John.«
Ich war mir nicht so sicher. Es konnte auch sein, daß wir ein anderes Kapitel in der Geschichte der Steine aufgeschlagen hatten. Ich sollte recht behalten.
Innerhalb des Zentrums veränderte sich der Untergrund. Es sah so aus, als wäre eine feurige Glasplatte entstanden, die den Blick zum Einstiegsschacht in die Hölle freigab.
Die Menschen hatten sich das Innere der Hölle immer wie eine mit Feuer gefüllte Höhle vorgestellt. Ob das stimmte, wollten wir
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