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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Stock.
    Abgesehen von dem Musketenschusse, glaubte die Königin in eine mildere Atmosphäre zu kommen. Vor dem Posthause, wo die tobende, lärmende Schar größtenteils umgekehrt war, hatte auch das Geschrei aufgehört; die königliche Familie war beim Aussteigen aus dem Wagen sogar mit Äußerungen des Mitleids empfangen worden. In einem Saale des ersten Stockes fand man eine reichbesetzte Tafel, und alle Gemächer waren so elegant und behaglich eingerichtet, daß die Gefangenen einander erstaunt ansahen.
    Kaum waren die erlauchten Gäste bei Tische, so erschien der Herr vom Hause und verneigte sich vor der Königin.
    »Madame,« sagte er, »die jungen Mädchen von Châlons bitten um die Gnade, Eurer Majestät Blumen überreichen zu dürfen.«
    Die Königin sah zuerst Madame Elisabeth, dann den König ganz erstaunt an.
    »Blumen!« sagte sie.
    »Madame,« fuhr der Intendant fort, »wenn die Zeit schlecht gewählt oder die Bitte zu kühn ist, so will ich die Mädchen nicht herauflassen.«
    »Ja, ja,« erwiderte die Königin, »lassen Sie sie nur kommen.«
    In wenigen Minuten erschienen zwölf Mädchen im Vorgemache und blieben in der Tür stehen.
    »Nur herein, Kinder!« rief ihnen die Königin zu, und streckte die Arme nach ihnen aus.
    Die Wortführerin hatte eine schöne Rede einstudiert, die sie nun hersagen wollte; aber die Kleine wurde durch den Empfang, den sie bei der sonst so stolzen Königin fand, so gerührt, daß sie in Tränen ausbrach und nur die Worte stammeln konnte:
    »Oh! Eure Majestät ... welch ein Unglück!«
    Marie Antoinette nahm den Blumenstrauß und küßte das Mädchen.
    Während dieser Zeit neigte sich Charny zum Könige und flüsterte ihm zu:
    »Sire, vielleicht läßt sich aus der günstigen Stimmung der Stadt Nutzen ziehen. Wenn Eure Majestät mich eine Stunde beurlauben wollen, so werde ich hinuntergehen und Ihnen sodann berichten.
    »Gehen Sie, Graf«, erwiderte der König; »aber seien Sie vorsichtig; ich könnte es nicht verschmerzen, wenn Ihnen ein Unglück begegnete ... Ach! zwei Todesfälle in einer Familie sind schon genug!«
    Charny entfernte sich. Er griff an die Brusttasche, in der sich die in den Taschen seines Bruders vorgefundenen Papiere befanden und nahm sich vor, den ersten ruhigen Augenblick zu benutzen, um sie zu lesen.
    Hinter den Mädchen, welche Madame Royale der Reihe nach wie Schwestern küßte, erschienen die Eltern: größtenteils ehrenwerte Bürger oder alte Edelleute; sie näherten sich schüchtern und ehrerbietig, um ihre unglücklichen Souveräne zu begrüßen.
    Als sie erschienen, stand der König auf, und die Königin sprach mit ihrer sanftesten Stimme:
    »Kommen Sie herein!«
    Nach einer halben Stunde kam Charny zurück.
    »Nun, wie steht's?« fragte der König.
    »Sire, es geht alles gut«, antwortete der Graf; »die Nationalgarde ist erbötig, Eure Majestät morgen nach Montmédy zu geleiten.«
    »Sie haben also etwas verabredet?« sagte Ludwig XVI.
    »Ja, Sire, mit den ersten Chefs ... Morgen, vor der Abreise, verlangen Eure Majestät die Messe zu hören; – der Wagen wird Sie vor der Kirche erwarten. Eure Majestät steigen unter lautem Jubel ein, und mitten in diesem Jubel geben Sie Befehl umzukehren und den Weg nach Montmédy zu nehmen.«
    »Es ist gut«, sagte Ludwig XVI. »Ich danke Ihnen. Graf ... wenn sich bis morgen nichts ändert, so wollen wir Ihren Rat befolgen.«
    Der König und die Königin gingen in ihre Gemächer; die Schildmache stand an der Tür des Schlafzimmers.
    Eine Stunde nachher, als der Nationalgardist abgelöst wurde, verlangte er Billot zu sprechen.
    Beide sprachen leise und eifrig miteinander. – Billot schickte zu Drouet.
    Als Folge dieser Unterredung begaben sich Billot und Drouet zu dem Postmeister, dem Freunde des letzteren. Dieser ließ ihnen zwei Pferde satteln, und zehn Minuten nachher galoppierte Billot auf der Straße nach Reims, während Drouet nach Vitry-le-Français ritt.
    Der Tag brach an. Es waren kaum sechshundert Mann, die erbittertsten oder ermüdetsten, von der gestrigen Eskorte geblieben.
    Die Gardekompanie von Villeroi hatte zu Châlons ihr Standquartier gehabt. Ein Dutzend dieser Herren befand sich noch in der Stadt; sie hatten die Befehle des Grafen von Charny entgegengenommen. – Charny hatte sie aufgefordert, ihre Uniform anzulegen und sich zu Pferde vor der Kirche einzufinden. Sie entfernten sich nun, um sich auf dieses Manöver vorzubereiten.
    Um sechs Uhr morgens waren die eifrigsten Royalisten der

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