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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Andrea; aber sage nicht, daß es mir unmöglich sei, dich zu lieben!«
    »Oh, mein Gott! mein Gott!« stammelte sie; »gibt es in der Welt ein unglücklicheres Geschöpf, als ich bin?«
    »Andrea,« fuhr Charny fort, »sage mir, daß du mich liebst ... oder wenigstens, daß du mich nicht hassest!«
    »Ich ... Sie hassen?« erwiderte Andrea mit tiefem Gefühl, und aus ihren sonst so ruhigen Augen sprach eine Glut, die niemand in ihr vermutet hätte.
    »Aber wenn es nicht Haß, nicht Liebe ist, was ist es denn, Andrea?«
    »Es ist nicht Liebe, weil es mir nicht erlaubt ist, Sie zu lieben ...«
    »Und warum ist es dir nicht erlaubt, mich zu lieben, wenn ich dich liebe, von ganzem Herzen liebe?«
    »Ach, das darf ich nicht sagen!« antwortete Andrea, die Hände ringend.
    »Aber,« erwiderte Charny mit sanfter Stimme, »wenn ich schon von einer andern Person gehört hätte, was du mir nicht sagen darfst?«
    »Mein Gott!«
    »Und wenn dieses Unglück Sie würdiger, achtbarer in meinen Augen machte, wenn dieses schreckliche Geheimnis mich bewogen hätte, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe?«
    »Wenn das der Fall wäre, Graf, so wären Sie der edelste Mann!«
    »Ich liebe dich, Andrea«, wiederholte Charny; »ich liebe dich!«
    »Ach, mein Gott!« sagte Andrea mit erhobenen Händen, »ich wußte nicht, daß ich im Leben eine solche Freude haben würde! Lesen Sie diesen Brief, der Ihnen auf Ihrem Sterbebette übergeben werden sollte ...«
    Während Andrea ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckte, erbrach Charny hastig den Brief, las die ersten Zeilen, stürzte hastig auf Andrea zu und zog sie in seine Arme.
    »Seit dem Tage, wo du mich zum ersten Male gesehen!« sagte er, »seit sechs Jahren! ... Oh, du bist ein Engel! Werde ich dich je lieben können, wie du es verdienst? Werde ich dir Ersatz bieten können für alle deine Leiden?«
     

35. Kapitel
     
    Seit der Rückkehr des Königs bis zum 16. Juli hatte sich sehr viel ereignet. – Die Flucht des Königs hatte ungeheure Sensation gemacht, und als er wieder in Paris war, wußte niemand, was man mit ihm anfangen sollte. Jeder sagte frei seine Meinung.
    Am 21. Juni, als der König entflohen war, erklärten die Kordeliers durch einen Anschlagzettel, daß sie geschworen, alle »Tyrannen« zu erdolchen, die es wagen würden, das französische Gebiet, die Freiheit und die Verfassung anzugreifen. – Marat schlug einen Diktator vor, Prudhomme dagegen weder ein neues Oberhaupt noch eine neue Regierung; er erließ einen Aufruf:
    »Am dritten Tage nach der Rückkehr führte man den Dauphin auf der Terrasse vor den Tuilerien spazieren. Er mußte dem Volke Kußhände zuwerfen. Einige Zuschauer waren so feige, zu rufen: ›Es lebe der Dauphin!‹ – Bürger! nehmt euch in acht vor den Schmeicheleien eines Hofes, der vor dem Volke kriecht, wenn er nicht mehr der Stärkere ist!«
    Camille Desmoulins war im Palais Royal, dem gewöhnlichen Schauplatz seiner Redekünste, auf einen Stuhl gestiegen und sagte:
    »Meine Herren, es wäre ein Unglück, wenn der treulose Mann hierher zurückgebracht würde. Was sollten wir mit ihm machen? Wenn er hierherkommt, so stelle ich den Antrag, ihn drei Tage lang, mit einem roten Tuch um den Kopf, dem allgemeinen Gelächter preiszugeben und ihn sodann in Etappen an die Grenze zu bringen.«
    Das republikanische Gefühl war in allen Herzen, aber das Wort Republik ward kaum von einigen ausgesprochen. Die Nationalversammlung hatte eine entschiedene Abneigung gegen die republikanische Staatsform; sie sagte: »Die Sitten Frankreichs sind nicht republikanisch!«
    Im übrigen wurden während der Abwesenheit des Königs und auch nach seiner Rückkehr die verschiedensten Pläne über die Bildung einer neuen Regierung erörtert. Vorübergehend gewann sogar die royalistische Partei die Oberhand. Besonders umstritten war das Schicksal des Königs. Schließlich wurde folgendes beschlossen:
    »Der König wird so lange seiner Würde enthoben, bis er aufs neue die Verfassung beschworen hat.
    Schwört der König nicht, wird er abgesetzt. Für alle Folgen, die sich aus der gewaltsamen Abdankung ergeben, wird er zur Verantwortung gezogen.«
    Als diese Proklamation bekanntgegeben wurde, gab es im Volke nur einen Schrei der Entrüstung. Zu Tausenden strömte die Menge auf das Marsfeld, um am Altar des Vaterlandes eine Petition an die Nationalversammlung verlesen zu lassen, in der die sofortige Abdankung des Königs und seine Aburteilung durch das Gericht verlangt wurde.
    Diese

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