Die Graefin Charny
ihm meinen verbindlichsten Dank, Madame,« erwiderte Marie Antoinette, »und bringen Sie mir Nachricht über die Herren von Malden und von Valory.«
Das Herz der Königin wollte noch den Namen des Grafen von Charny hinzusetzen, aber ihre Lippen sträubten sich, ihn auszusprechen.
Es wurde ihr gemeldet, daß das Bad bereit sei. Inzwischen verzehrte Ludwig XVI. mit gutem Appetit ein gebratenes Huhn, dann spielte er mit seinem Sohn.
Die Nachrichten, die man der Königin brachte, waren nicht so schrecklich, wie man hätte glauben können.
Als der Zug bei der Barriere angekommen war, hatte der Graf mit seinen beiden Kameraden einen Plan verabredet: die drei Getreuen wollten wenigstens einen Teil der Gefahren von dem König auf sich selbst lenken. Sobald der Wagen halten würde, sollten sie sich in die wütende Rotte stürzen. So hoffte man diese zu teilen; vielleicht würden der König und die Königin dann frei und unangefochten in das Schloß kommen.
Sie führten den Plan auch aus. Malden und Valory waren übel zugerichtet, aber gerettet; man hatte sie im Schloß gesehen. Vom Grafen von Charny wußte man nichts, im Schlosse hatte er sich nicht gezeigt.
Bei dieser Mitteilung wurde die Königin leichenblaß. Madame Campan, welche die Ursache dieser Blässe wohl erriet, setzte hinzu:
»Aber Eure Majestät dürfen an der Rettung des Grafen nicht verzweifeln; Sie wissen ja, daß die Gräfin in Paris wohnt; vielleicht hat sich der Graf zu ihr geflüchtet.«
Eben dieser Gedanke hatte Marie Antoinette so bestürzt gemacht. Sie erwiderte:
»Campan! kleiden Sie mich schnell an! Ich muß wissen, was aus dem Grafen geworden ist ...«
»Aus welchem Grafen?« fragte Madame de Misery eintretend.
»Aus dem Grafen von Charny!« sagte die Königin.
»Der Graf von Charny ist im Vorzimmer Ihrer Majestät«, erwiderte Madame de Misery, »und bittet um die Ehre einer kurzen Unterredung.«
Einige Minuten später erschien Charny in der Tür.
Er hatte die seit seiner Ankunft verflossene Zeit dazu benutzt, die Spuren der langen Reise und seines furchtbaren Kampfes zu beseitigen.
»Oh, Herr Graf,« sagte die Königin, »ich habe überall nach Ihnen fragen lassen. Man sagt, Sie hätten den Herren Pétion und Barnave das Leben zu verdanken ... Ist das wahr?«
»Ja, Madame, ich bin Herrn Barnave doppelten Dank schuldig, denn er begleitete mich bis in mein Zimmer und versicherte, Eure Majestät hätten die Gnade gehabt, sich unterwegs mit mir zu beschäftigen.«
»Mit Ihnen, Graf; inwiefern?«
»Eure Majestät meinten, Ihre alte Freundin werde über meine Abwesenheit besorgt sein. Ich bin weit davon entfernt, diese Besorgnisse für so bedeutend zu halten, aber ich glaube, es ist schicklich, der Gräfin nunmehr einen Besuch zu machen.«
Die Königin drückte die linke Hand aufs Herz, als hätte sie sich überzeugen wollen, daß es nicht aufgehört habe zu schlagen.
»Es ist wahr, Graf«, sagte sie kaum hörbar; »warum haben Sie so lange gewartet, um sich dieser Pflicht zu entledigen?«
»Eure Majestät vergessen, daß ich Ihnen mein Wort gegeben hatte, die Gräfin nicht ohne dero Erlaubnis zu sehen, und bitte Eure Majestät inständigst, mir sie zu bewilligen.«
»Sonst würden Sie die Gräfin ohne meine Erlaubnis wiedersehen, nicht wahr?«
»Ich glaube, Eure Majestät sind ungerecht gegen mich«, erwiderte der Graf. »Als ich von Paris abreiste, glaubte ich, vielleicht für immer abwesend zu sein ... Es ist nicht meine Schuld, daß ich nicht wie mein Bruder zu Varennes mein Leben gelassen habe; wenn mir die Ehre zuteil geworden wäre, für Sie zu sterben, so hätte ich die Gräfin nicht wiedergesehen ... Aber da ich wieder in Paris bin, so ist es nicht möglich, gegen die Frau, die meinen Namen führt, so rücksichtslos zu sein und ihr keine Nachricht von mir zu geben, zumal mein Bruder nicht mehr da ist, um mich zu vertreten ...«
Die Königin erwiderte, indem sie sich unwillkürlich gegen Charny neigte:
»Sie müssen die Gräfin sehr lieb haben, um mir einen solchen Schmerz anzutun.«
»Eure Majestät gaben mir vor sechs Jahren das Fräulein Andrea von Faverney zur Gemahlin. In diesen Jahren hat meine Hand die ihrige nicht zweimal berührt; ich habe nicht zehnmal mit ihr gesprochen ... Mein Leben war einer andern Liebe gewidmet; ich lebte am Hofe und machte Reisen. Mit der Gräfin war es anders: seitdem sie so unglücklich war, das Mißfallen Eurer Majestät zu erregen, lebt sie einsam in dem Pavillon der Rue Coq-Héron.
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