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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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die Nationalversammlung geschickte Proklamation bestätigt.
    Am 13., nämlich am Tage vor der Jahresfeier der Erstürmung der Bastille, hatte die Nationalversammlung aus eigener Machtvollkommenheit diese Absetzung aufgehoben.
    Am 14. um elf Uhr kam der König mit der Königin und seinen Kindern die große Treppe herunter. Drei- bis viertausend Mann unschlüssiger Truppen begleiteten ihn. Über die Stimmung des Volkes konnte man sich nicht täuschen. Überall rief man: »Es lebe Pétion!«
    Der Königin war entsetzlich bange; sie fuhr jeden Augenblick erschrocken auf, denn sie glaubte ein Messer oder den Lauf einer Pistole blitzen zu sehen.
    Auf dem Marsfelde stieg der König aus dem Wagen und ging an der linken Seite des Präsidenten auf den Altar des Vaterlandes zu.
    Hier mußte sich die Königin von dem König trennen, um mit ihren Kindern die für sie bestimmte Tribüne zu besteigen.
    Sie stand still und wollte nicht hinaufsteigen, bis der König den Altar erreicht hätte.
    Am Fuße des Altars entstand plötzlich ein Wogen und Drängen. Der König verschwand, als ob er untergegangen wäre.
    Die Königin, die ihm nachgeschaut hatte, schrie laut auf und wollte ihm nacheilen; aber er kam wieder zum Vorschein und stieg die Stufen des Altars hinauf.
    Unter den gewöhnlichen Sinnbildern, die in feierlichen Aufzügen nie fehlten, wie die der Gerechtigkeit, der Kraft, der Freiheit, war ein schwarzgekleideter, mit Zypressen bekränzter Mann zu sehen, der unter einem Flor einen geheimnisvollen, glänzenden Gegenstand trug.
    Dieses entsetzliche Sinnbild zog die Blicke der Königin ganz besonders auf sich. Sie stand wie auf ihren Platz festgebannt, und über den König, der inzwischen den Altar des Vaterlandes bestiegen hatte, ziemlich beruhigt, konnte sie die Augen von der düstern Statue nicht abwenden.
    »Wer ist jener schwarzgekleidete, mit Zypressen bekränzte Mann?« fragte sie, ohne sich an eine bestimmte Person zu wenden.
    Eine Stimme, die Marie Antoinette mit Schrecken erfüllte, antwortete: »Der Scharfrichter.«
    »Und was trägt er unter dem Flor?« fragte die Königin weiter.
    »Das Beil Karls I.«
    Die Königin sah sich erblassend um; sie glaubte die Stimme schon gehört zu haben. Es war die Stimme Cagliostros.
    Ein Schrei des Entsetzens erstarb auf ihren bleichen Lippen und sie sank ohnmächtig in die Arme der Prinzessin Elisabeth.
     

43. Kapitel
     
    Am 22. Juli, um sechs Uhr morgens, acht Tage nach dem Feste auf dem Marsfelde, dröhnte durch ganz Paris ein Kanonenschuß.
    Von Stunde zu Stunde und den ganzen Tag hindurch sollte sich der Geschützdonner wiederholen.
    Die sechs Legionen der Nationalgarde waren seit dem Anbruch des Tages vor dem Stadthause versammelt. Von hier aus sollten zwei Züge abgehen, um die Proklamation »Das Vaterland ist in Gefahr!« in den Straßen von Paris zu verbreiten. Auf jedem Platze, auf jedem Kreuzwege, auf jeder Brücke hielt der Zug an. Ein Trommelwirbel gebot Schweigen. Dann wurden die Fahnen geschwenkt, und wenn alles still war, begann ein Munizipalbeamter die Proklamation des gesetzgebenden Körpers mit ernster, feierlicher Stimme abzulesen. Die Proklamation schloß mit den verhängnisvollen Worten: »Das Vaterland ist in Gefahr!«
    Diese Mahnung fand Widerhall in allen Herzen. Es war der einstimmige Ruf der Nation, des Vaterlandes, Frankreichs.
    Auf allen Hauptplätzen von Paris hatte man Zelte für freiwillige Werbungen errichtet. Der Hauptwerbeplatz war vor der Notre-Dame-Kirche. Die patriotische Begeisterung war allgemein und steigerte sich bis zur Trunkenheit. Wer Waffen tragen konnte, eilte herbei, um sich einschreiben zu lassen; die Schildwachen vermochten die Andrängenden nicht abzuwehren. Jeder drängte sich zu dem Werbetische.
    Es war die Verlobung des französischen Volkes mit dem zweiundzwanzigjährigen Kriege, der die Welt aus den Angeln gehoben hat und dessen Folgen noch in ferner Zukunft in dem Leben der Völker sichtbar sein werden.
    Unter denen, die sich zu den Werbetischen drängten, waren alternde Männer, die von der Begeisterung ergriffen, den Jugendlichen spielten, um jünger zu erscheinen; blutjunge Knaben waren darunter, die sich auf die Fußspitzen stellten, um größer zu erscheinen und die antworteten: Sechzehn Jahre, wenn sie erst vierzehn alt waren.
    Bis Mitternacht krachten von Stunde zu Stunde die beiden Geschütze; bis Mitternacht waren die Werbeplätze von einer dichtgedrängten Menge umgeben. Viele Angeworbene blieben da und hielten vor

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